Zur aktuellen Landespolitik in Hessen
Zum Internationalen Tag des Waldes fand in Traisa eine Demonstration statt. Rund 70 Menschen beteiligten sich, um einen gesellschaftlichen Umgang mit dem Wald zu bewirken, der sich stärker an Ökologie als an Ökonomie und allgemein mehr an Naturnähe orientiert. Vor allem die kritische Abgrenzung zum Koalitionsvertrag der neuen hessischen Landesregierung aus CDU und SPD sowie jüngste Verlautbarungen von Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) waren für ein Bündnis aus südhessischen Naturschutzverbänden Anlass für die öffentliche Versammlung. So riefen verschiedene NABU-, BUND- und Greenpeace-Ortsgruppen, die Bürgerinitiativen Pro Walderhalt, Westwaldallianz, Netzwerk Bergsträßer Wald sowie die Bundesbürgerinitiative Waldschutz (BBIWS) und das Naturschutzbündnis Südhessen auf zur Demonstration direkt im Wald am “Traisaer Hüttchen”, in dem jüngst ein Holzeinschlag stattgefunden hatte.
Dem Bündnis zufolge soll gegen die Politik der hessischen Landesregierung protestiert werden. „Diese will den Wald wieder verstärkt als Rohstofflieferanten betrachten“, so Detlef Schiechel vom Naturschutzbündnis Südhessen. Etwa solle die Naturschutzleitlinie für den Staatswald in Frage gestellt werden, die für Waldschützer einen erheblichen Fortschritt in der Bewirtschaftung der im Landesbesitz befindlichen Waldflächen bedeutet. Auch setze die neue Landesregierung wieder auf eine verstärkte Nutzung des “Rohstoffs Holz”. Waldschützer sehen darin die relative Schwächung ökologischer Zielvorgaben im Umgang mit dem Wald: “Für uns stellen verstärkte Nutzungsansprüche an den Wald in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise eine fatale Weichenstellung dar, durch die die Wälder weiter in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen immer mehr Stressfaktoren geschwächt werden“, so das Bündnis. Auch den Stopp der Ausweisung bereits geplanter Naturschutzgebiete und die Schwächung der Vorgaben für europäische Schutzgebiete (“FFH-Gebiete”) sieht das Bündnis als alarmierend: “Wir fürchten um die Errungenschaften im Naturschutz der letzten 10 Jahre, und deswegen sind wir heute hier.”
Yvonne Albe vom NABU Seeheim-Jugenheim wies auf die höchst problematische Aufhebung des Einschlagsstopps durch die neue Landesregierung hin, die Einschläge in alten Buchenwäldern in FFH-Schutzgebieten ab September wieder möglich machen wird. „Finger weg vom Tafelsilber unserer Wälder! Es gibt keine Notfallsituation, die die Zerstörung unserer wertvollen Schutzgebiete rechtfertigen kann,“ zitierte sie Maik Sommerhage, den Landesvorsitzenden des NABU Hessen. Durch die Entnahme alter Bäume gingen wichtige Klima- und Artenschutzfunktionen der Wälder verloren.
Der Mühltaler Kommunalpolitiker Christoph Zwickler betonte den Wert des Holzes: “Man wird sich des Wertes des Waldes mehr bewusst, wenn wir weniger ernten, und das Holz dadurch teurer wird.” Er warb dafür, den Wald ganzheitlich und nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht zu sehen. „Wir machen heute leider Gottes Raubbau. Wir sollten uns an denen orientieren, die es besser machen” und nannte das Lübecker Modell für naturnahe Waldnutzung als ein positives Beispiel für einen nachhaltigen Umgang mit dem Wald.
Friede Gebhard vom Netzwerk Bergsträßer Wald rief die guten Nachrichten in Erinnerung: Das Bewusstsein für den Walderhalt sei gestiegen, der Runde Tisch Wald in Darmstadt und das daraus hervorgegangene Modell seien vorbildgebend für andere Kommunen.
Ganz konkret wurden die Waldschützer in ihrem Aufruf, was ihre Forderungen an die hessische Landespolitik betrifft: “Wir machen uns gemeinsam stark etwa für die Stabilisierung der Wälder in der Klimakrise durch Naturnähe, den Vorrang der Schutz- und Erholungsfunktion vor der Holzernte, den Verzicht auf das Verheizen unserer Wälder, die Beibehaltung und Umsetzung der Naturschutzleitlinie für den Staatswald, die Ausweisung neuer, bereits geplanter Schutzgebiete und die Beibehaltung des Einschlagsmoratoriums für alte Buchen im Staatswald in europäischen Schutzgebieten (FFH).”
Zum Abschluss gab es noch ein naturpädagogisches Event im Wald, an dem auch die anwesenden Kinder teilnahmen und bei dem Allen nähergebracht werden sollte, dass der Wald ein lebendiger Organismus ist. Anschließend führte Karin Mühlenbock von der Bürgerinitiative Pro Walderhalt interessierte Bürgerinnen und Bürger zu den jüngst erfolgten Fällungen von Baumriesen und erläuterte die Folgeschäden der Eingriffe.
Text: Gunnar Glänzel, Yvonne Albe
Fotos: Yvonne Albe
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