Sep. 302022
 
Arbeiten zur Verfüllung von Ackersenken neben einem Wassergraben mit Schilfbestand westlich NSG Dulbaum am 29.9.2022

An mindestens sechs Stellen im Ried auf Alsbach-Hähnleiner und Bickenbacher Gemarkung wurden in den letzten Tagen Ackersenken verfüllt.

Die Ausführung und Lage der registrierten Bodenverfüllungen wären naturschutzfachlich ganz offensichtlich nicht genehmigungsfähig, auch die Kriterien für eine Bodenverbesserung werden an den meisten dieser Stellen nicht erfüllt. Die zuständigen Behörden wurden in Kenntnis gesetzt. Die Bauarbeiten wurden dennoch ununterbrochen weitergeführt.

Nahe am Schilfgürtel erreicht die aufgetragene Deckschicht eine Stärke von mehr als 50 cm.

Die Gefahr für den Artenschutz liegt in der Intensivierung

Die häufig illegale Verfüllung von Ackersenken als eine Form der Intensivierung der Landwirtschaft ist einer der wesentlichen Gründe für den Rückgang von früher häufigen Feldvögeln wie dem Kiebitz und Amphibienarten, die an temporär feuchtere Feldfluren gebunden sind. Unter den Amphibien Im Ried sind insbesondere Knoblauchkröte, Kreuzkröte und Wechselkröte seit vielen Jahren und anhaltend massiv durch diese Art der Flurbereinigung bedroht.

Es ist schade, dass LandwirtInnen in Einzelfällen selbst aktiv zur Krise der Artenvielfalt beitragen – sie schaden damit dem Ansehen ihrer Zunft. Das ist insbesondere deshalb bedauerlich, weil gerade im Umfeld der Sandwiese bei Alsbach und Bickenbach erste Ansätze einer guten Zusammenarbeit mit lokalen LandwirtInnen bei sehr konkreten Artenhilfsprogrammen für Amphibien gestartet wurden. Der NABU versucht hier mit Amphibienprojekten zum Erhalt dieser bedrohten Amphibien beizutragen. Letztlich ist aber eine Änderung hin zu einer naturverträglicheren und nachhaltigeren Landwirtschaft notwendig für eine Überlebensperspektive für Feldvögel und Amphibien.

Kreuzkröte in einer Ackersenke mit Erdbeeren im Sommer 2022 in der Sandwiese bei Alsbach

Wir brauchen und wir werben weiter für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit LandwirtInnen.

Der NABU fordert eine sofortige Einstellung weiterer Verfüllungen und eine Wiederherstellung der Ausgangssituation oder aber angemessene Ausgleichsmaßnahmen, die den angerichteten Schaden nachhaltig kompensieren.

Erneuter Umweltfrevel an der Landbachaue

Angrenzend an die renaturierten Feuchtgebiete der Landbachaue wurden bisher fünf größere Flächen mit Verfüllungen von Ackersenken registriert, eine davon innerhalb des Vogelschutzgebietes.

Karte: aus dem Geo-Informationssystem der HLNUG https://natureg.hessen.de/ – Orange markiertes Viereck: Quelle der Bodenaufschüttungen, Punkt 1 – 5 Erdauffüllungen im Umfeld der Landbachaue. Rot schraffiert: Naturschutzgebiete. Blau schraffiert: Vogelschutzgebiete.

Interessant: eine der größeren Auffüllungsflächen mit wenigstens 5000 Quadratmetern (*2 in der Karte) grenzt an einen „bekannten Tatort“ von illegalen Baumfällungen im Januar 2021.

Der Verdacht liegt nahe: Auslöser und Akteure des Umweltfrevels von 2021 und der aktuellen Bodenaufschüttungen sind möglicherweise identisch. Für die illegalen Baumfällungen 2021 hat letztlich Gemeinde Bickenbach die Verantwortung übernommen und Ausgleichsmaßnahmen finanziert. Hier ist also der Gemeinde Bickenbach Schaden entstanden.

Erdauffüllung *2 unmittelbar angrenzend an das Vogelschutzgebiet der Landbachaue

Aufschüttungen im Bereich Dulbaum

Eine weitere größere Schadensfläche verfüllt mit Material aus der Abgrabung südlich der Landbachaue befindet sich in unmittelbarer Nähe des NSG Dulbaum. Hier wurde zwischen dem 29. und 30.9.2022 an einem angrenzenden Schilfstreifen auf einer Fläche von mindestens 4000 Quadratmetern massiv Boden aufgefüllt. Bilder vom 29.9.2022 belegen eine hohe Schichtdicke der Verfüllung bis zu 50cm und einen direkten Einfluss auf einen angrenzenden Wassergraben mit Schilfsaum.

Der aufgefüllte Acker liegt zwischen einem Wassergraben und dem NSG Dulbaum. Hier sind Wasser- und Naturschutz unmittelbar betroffen.

Ist der Verursacher bekannt?

Es ist nicht schwer, den Spuren der schweren Traktoren zur Quelle des Bodenaushubs zu folgen.

Das Material kommt von der Baustelle eine Aussiedlerhofes in der Gemarkung Bickenbach. Auch diese Baustelle hat eine traurige Geschichte.

Denn hier wird unter Ausnutzung landwirtschaftlicher Privilegien wertvollstes Ackerland mit höchstem Bodenrichtwert bleibend versiegelt und dies in einen naturschutzfachlich sensitiven Bereich der Bickenbacher Gemarkung – der NABU hat berichtet. Und wie es den Anschein hat, werden schon mit dem Beginn der Tiefbauarbeiten weitere Umweltschäden ausgelöst. Und nach einer Information nicht gestoppt, sondern vollendet. Auch hier ein Wiederholungsmuster, bekannt von der illegalen Baumfällaktion von 2021, wo Naturschützer so eindringlich wie vergeblich gefordert hatten, nicht noch weitere Horstbäume zu vernichten.

Arbeiten zur Bodenauffüllung westlich NSG Dulbaum 29.9.2022

Arbeiten zur Verfüllung von Ackersenken neben einem Wassergraben mit Schilfbestand westlich NSG Dulbaum 29.9.2022

Bodenschutz

Aufschüttungen über 300m², welche keiner Bodenverbesserung dienen, sind baugenehmigungspflichtig und beim Fachdienst Bauordnung zu beantragen. Aufschüttungen bis 300m² bedürfen einer naturschutzrechtlichen Genehmigung.

Landwirte, die ihre Flächen mit einer Bodenanfüllung verbessern möchten, sollten dies auf keinen Fall ohne Genehmigung der Behörden machen. Kosten und Aufwand für den Landwirt können viel höher seien, wenn der Boden bereits illegal abgekippt wurde und nachträglich ein Prüfverfahren gestartet werden muss. Denn bei einer Bodenanfüllung sind viele Umweltvorschriften zu beachten.

Die Auffüllung einer Senke oder vernässten Stelle kann auch eine Verbesserung darstellen, dies muss aber im Einzelfall geprüft und genehmigt werden – neben der Landwirtschaftskammer sind immer auch die Naturschutzbehörden sowie die Wasserbehörde zu beteiligen.

Generell nicht erlaubt ist das Anfüllen in Schutzgebieten.

Bodenverbesserung

Gern wird das Argument der Bodenverbesserung bei der Verfüllung von Ackersenken gebracht. Der Begriff der „Bodenverbesserung“ jedoch ist sehr eng gefasst und wird vom Fachdienst Landwirtschaft nach Fachrecht geprüft. Eine reine Verbesserung der Bewirtschaftung durch Beseitigung von Bodenunebenheiten reicht nicht aus.

Eine Bodenverbesserung liegt in der Regel nur vor, wenn

  • die Auffüllhöhe nicht mehr als 20 cm beträgt,
  • der aufgefüllte Boden eine bessere Qualität als der vorhandene Boden hat,
  • die Bodenwertzahl des aufzufüllenden Ackers 60 Bodenpunkte nicht überschreitet und
  • sie tatsächlich einem landwirtschaftlichen oder erwerbsgärtnerischen Betrieb dient.

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