Juni 232025
 

2026 ist es wieder so weit: In mehreren Gemeinden an der Bergstraße sind die neuen Forsteinrichtungen  fällig – das sind die 10-Jahrespläne für die Waldbewirtschaftung. Die Diskussionen darüber haben bereits begonnen. In Seeheim-Jugenheim etwa tagt ein „Runder Tisch Wald“, an dem Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Forstwirtschaft, Jägerschaft und Naturschutz gemeinsam nach Wegen suchen. In Bickenbach berät dazu ein Waldausschuss. Die Gemeinde Alsbach-Hähnlein hat bereits ein Waldkonzept im Rahmen eines Runden Tisches erarbeitet. Der NABU Seeheim-Jugenheim begrüßt diese Entwicklungen, bei denen auch Waldexperten eingeladen und Naturschutzgruppen einbezogen werden, ausdrücklich – und fordert ein Umdenken im Umgang mit dem Wald. Dabei seien stärker als bisher die gesamten Leistungen, die Wälder erbringen können, in die Erwägungen miteinzubeziehen.

Exemplarisch für die Wälder der Gemeinde Seeheim-Jugenheim hat der NABU einige dieser Ökosystemleistungen in Zahlen dargestellt. Die etwa 650 Hektar Wald im Besitz der Gemeinde binden in der oberirdischen Biomasse – naturnaher Wald – jedes Jahr ca. 6.500 Tonnen CO₂. Das ist die rein rechnerische jährliche CO₂-Ausstoß-Kompensation von etwa 700 Menschen/Jahr. Im Waldboden wird zusätzlich nochmal etwa die gleiche Menge CO2 gespeichert. Der Wald ist zudem in der Lage, 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser zu speichern und jährlich etwa 6.500 Tonnen Sauerstoff zu produzieren. Die Wälder puffern auf diese Weise Starkregenfolgen, Bodenerosion und Hitze ab und leisten ihren Anteil, die Klimakrise abzumildern. Sie kühlen die Umgebung im Sommer um bis zu 7 Grad und sorgen für viele Menschen für Erholung und Gesundheit. Zugleich sind sie Lebensraum: Rund 4.000 bis 5.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten pro Hektar sind auf einen intakten, naturnahen Wald angewiesen. Viele dieser Arten sind streng geschützt oder bedroht. All das seien Ökosystemleistungen, welche die Bürger und Tiere der Region von der Natur kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Ohne den Wald würden wir die Folgen des Klimawandels an der Bergstraße deutlich stärker spüren. 

Doch trotz dieser elementaren Leistungen würden viele Waldflächen immer noch vor allem nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet und bewirtschaftet. Die bisherigen Forsteinrichtungen orientierten sich bisher meistens am Holzertrag. Der NABU warnt: Dieser Ansatz verkennt den wahren Wert des Waldes und gefährdet seine Fähigkeit, uns vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. „Der Schutz des Waldes bedeutet gleichzeitig Menschenschutz”, macht der NABU deutlich. Nur ein gesunder Wald könne laut NABU all diese Leistungen erbringen – er sei der stärkste natürliche Verbündete der Gemeinde im Klimaschutz und in der Klimaanpassung. Doch schon jetzt sind die Leistungen durch die zunehmende Dürre und die Folgen der Forstwirtschaft eingeschränkt – der Wald ist an vielen Stellen nicht mehr voll funktionsfähig. Sein Fortbestand ist zukünftig nicht mehr selbstverständlich, er ist in seiner Existenz und Leistungsfähigkeit stark gefährdet. 

Die von der Forstwirtschaft und Politik häufig angeführte „Multifunktionalität des Waldes“ sei zudem ein Trugschluss. Der Wald könne nicht gleichzeitig und am selben Ort alle gewünschten Leistungen – von Holzproduktion über Naturschutz bis Erholung – gleichzeitig erbringen. „In Wirklichkeit gibt es erhebliche Zielkonflikte“, so der NABU. Je stärker Wälder für die Holzproduktion genutzt werden, desto weniger können sie andere Leistungen erbringen: Schwere Maschinen verdichten die Böden, was Erosion und eine verminderte Wasserspeicherung zur Folge hat. Der Anbau von Nadelbäumen senkt die Grundwasserneubildung, erhöht die Waldbrandgefahr und reduziert die kühlende Wirkung des Waldes. Dürfen Bäume nicht älter als 140 Jahre werden, wie es die forstliche Hiebsreife vorsieht, sterben bestimmte Tier- und Pflanzenarten aus und die CO₂-Speicherfähigkeit sowie die Resilienz des sensiblen Ökosystems nimmt durch das Fehlen alter Bäume ab.

Was es jetzt braucht, sind zukunftsfähige Strategien, welche die Wälder in die Lage versetzen, auf die sich rasant ändernden klimatischen Bedingungen zu reagieren. Dazu gehöre eine Waldwirtschaft, die den Erhalt der ökologischen Stabilität und Vielfalt in den Vordergrund stellt – und der Holzwirtschaft auf lange Sicht zugleich eine nachhaltige Perspektive bietet.

Der NABU fordert weniger Holzentnahme, mehr Rücksicht auf sensible Bereiche, längere Ruhezeiten für den Wald und geschlossene Kronendächer, die das feuchte und kühle Waldinnenklima bewahren. Vor allem muss der Biomassevorrat deutlich erhöht werden. „Der Vorrat ist aus betrieblicher Sicht der entscheidend beeinflussbare Teil des Kohlenstoffspeichers auf der Waldfläche“, heißt es im Eckpunktepapier des Bundesumweltministeriums (BMU) zu den Ökosystemleistungen des Waldes. Ein kontinuierlicher Zuwachs sei die Grundvoraussetzung für klimastabile Wälder, die fortlaufend Kohlenstoff binden. Ein hoher Holzvorrat sei zudem eine Wertanlage für zukünftige Generationen. 

Neben dem Schutz des Waldes schlägt der NABU vor,  die Honorierung von Ökosystemleistungen, etwa durch Bundesförderprogramme wie das „Klimaangepasstes Waldmanagement Plus“ und „Klimawildnis“ zu nutzen. Diese könne den Waldbesitzenden helfen, den Wald klimaresistent zu machen und gleichzeitig auf Einnahmen aus der Holznutzung zu verzichten, da großzügige Gelder aus diesen Programmen fließen.

Der NABU ruft die Gemeinden auf, die bevorstehenden Forsteinrichtungspläne als Chance für einen echten Neuanfang zu nutzen – für eine Waldwirtschaft, die den Menschen schützt, weil sie die Natur bewahrt.

Fotos: Yvonne Albe

Quellen:

Forsteinrichtung Seeheim-Jugenheim: https://nabu-seeheim.de/wp-content/uploads/2022/12/Forsteinrichtung-Se-Ju.pdf 

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2024/PD24_12_p002.html

Wie viel CO2 binden Wälder?: BZL

Die Kohlenstoffbilanz der Bayerischen Forst- und Holzwirtschaft

BMUKN: Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Deutschlands Wald ist von der CO2-Senke zur Quelle geworden | MDR.DE

BMUKN: Positionspapier des BMU: Ökosystemleistungen von Wäldern – Honorierung von Klimaschutzleistungen mit ambitionierten Biodiversitätsstandards | Download

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