Jun 302023
 

Erste Messungen im Bereich des Entenweihers bei Seeheim

Fast alle Fledermausarten in Deutschland sind mittlerweile als gefährdet bis stark gefährdet eingestuft. Fledermäuse sind außerdem wichtige Indikatoren für Biodiversität. Deshalb ist es wichtig, ihren Bestand zu erfassen und zu dokumentieren.

Um Vorkommen und Entwicklung von Fledermausbeständen beurteilen zu können, müssen an geeigneten Orten Beobachtungen vorgenommen, protokolliert und ausgewertet werden.

Die besondere Schwierigkeit der Beobachtung von Fledermäusen liegt darin, dass sie ganz überwiegend nachtaktiv sind und rein optisch kaum bis nicht zu bestimmen sind.

Fledermäuse orientieren sich während des Fluges mit Hilfe von Ultraschall-Echoortung. Dazu stoßen sie fortwährend Rufe aus und lauschen auf das von der Umgebung zurückgeworfene Echo.

Da verschiedene Fledermausarten mit unterschiedlicher Frequenz und Dauer rufen, können sie anhand ihrer Ortungsrufe unterschieden werden.

Um Fledermausrufe zu erfassen, werden spezielle Ultraschallmikrofone und Aufnahmegeräte verwendet. Die Rufe sind für das menschliche Ohr unhörbar. Durch geeignete Software kann man sogenannte Sonogramme erstellen lassen, die den zeitlichen Verlauf der Ruffrequenz sichtbar machen. Anhand dieses Verlaufs lassen sich die Fledermausarten bestimmen. Diese Art der Auswertung ist allerdings sehr zeitaufwändig und erfordert sehr viel Erfahrung.

Fledermaus-Detektor

Einige Beispiele dieser Sonogramme sind in den folgenden Bildern dargestellt.

Sonogramm Zwergfledermaus
Sonogramm Abendsegler
Sonogramm Breitflügelfledermaus

Seit einigen Jahren beschäftigen sich verschiedene Universitäten und Forschungseinrichtungen mit der automatischen Klassifizierung von Fledermausrufen mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI). Die Erkennungsrate ist mittlerweile so gut, dass mit gewissen Abstrichen KI zur automatischen Auswertung von Fledermausaufnahmen verwendet werden kann.

Bisher erfolgte die Auswertung der Aufnahmen ausschließlich von Hand. In Seeheim-Jugenheim hat der NABU dieses Jahr begonnen, am Entenweiher versuchsweise ein KI-gestütztes Fledermausmonitoring durchzuführen. Es wurden und werden an verschiedenen Orten Aufnahmen vorgenommen und die Ergebnisse kontinuierlich ausgewertet und dokumentiert. Eingesetzt wird dazu ein von der Universität Edinburgh entwickeltes KI-Modell.

Blaue Marker: Orte, an denen das Aufnahmegerät bis jetzt platziert war.

Wie funktioniert eigentlich KI? Eine KI ist ein mathematisches Modell, das in vereinfachter Form Strukturen menschlichen Gehirns nachbildet (vernetzte Neuronen). Dieses KI-Modell wird zunächst mit einer großen Anzahl von bekannten Aufnahmen unterschiedlicher Fledermausarten trainiert. Die KI „lernt“ in dieser Phase die Rufe der Fledermäuse voneinander zu unterscheiden. Nach abgeschlossenem Training kann man der KI unbekannte Aufnahmen vorlegen und sie kann die Rufe in der Aufnahme erkennen und einer Fledermausart zuordnen. Zu jedem erkannten Ruf ermittelt die KI zusätzlich die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Aussage.

Die Ergebnisse der ersten Testphase sind vielversprechend. Filtert man aus den Ergebnissen alle Erkennungen unterhalb einer gewissen Wahrscheinlichkeit heraus, ist die Rate falsch erkannter Arten sehr gering. Mit dieser Methodik können etwa die Hälfte der aufgenommenen Rufe erkannt werden, die andere Hälfte bleibt unbestimmt.

Folgende Arten sind am Entenweiher bei Seeheim in diesem Jahr bisher erkannt worden:

Damit konnten 7 der insgesamt 16 in Südhessen vorkommenden Fledermausarten am Entenweiher in Seeheim nachgewiesen werden.

Mit Hilfe dieser Methodik wird es in Zukunft möglich sein, ein viel intensiveres Monitoring als bisher zu betreiben, da die Auswertung der Daten weitgehend automatisch erfolgen kann.

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