Fällungen, Bodenzerstörungen und Baumschäden im Natura 2000 Gebiet Felsberg im Lautertal
Das Felsenmeer auf dem Felsberg im Lautertal zählt zu den herausragenden Naturräumen Europas. Aus diesem Grunde hat die Europäischen Union das Naturschutzgebiet Felsberg zum Natura 2000 Gebiet erhoben. Das Schutzziel dieses Flora-Fauna-Habitats ist es, den natürlichen Lebensraum von Pflanzen und Tieren zu erhalten.
Zahlreiche Fotografien zeugen von der Einmaligkeit dieses Naturschutzgebietes, wie auch diese Fotografie von Yvonne Albe. Das Foto ist das Gewinnerbild des diesjährigen Fotowettbewerbs des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald.
Auflichtung durch zahlreiche Fällungen
Schockierend sind dagegen aktuelle Bilder vom Felsberg: Direkt an der fotografierten Szene wurden kürzlich Bäume gefällt. Dieses Vorgehen ist kein Einzelfall. Immer mehr Bäume verschwinden aus diesem schützenswerten Naturraum. Alte Bäume gibt es kaum noch. 2019 wurde durch die Fällung mehrerer Bäume in diesem Bereich das Kronendach erheblich aufgelichtet. Anfang 2021 wurden weitere Lücken geschlagen. Das Waldinnenklima wurde zerstört und der Wald anfälliger gegen Trockenschäden gemacht. Ersatzpflanzungen erfolgten keine.
Studien zum Waldinnenklima und zur Kronendachbedeckung zeigen, dass Waldbestände, in denen das Bestandesinnenklima intakt ist, stabiler und in Trockenzeiten kühler sind. Das bedeutet, dass der Verlust des Kronendaches mit einer zusätzlichen, drastischen Erwärmung einhergeht, die sich negativ auf die Gesundheit der Pflanzen am Waldboden und auf Bäume in der Nähe auswirkt. (https://science.sciencemag.org/content/368/6492/772, https://www.nature.com/articles/s41559-019-0842-1). Windwurf wird durch die Maßnahmen zudem wahrscheinlicher. Der Dienstleister HessenForst ignoriert bei seinen Maßnahmen die aktuelle Studienlage zum Waldbau in Zeiten des Klimawandels und riskiert damit, dass weitere Bäume durch Trockenschäden (Sonnenbrand) absterben werden.
Kahlschläge
Es ist zudem zu Kahlschlägen gekommen, wo kranke Fichten und Kiefern entnommen wurden. Diese Vorgehensweise ist innerhalb eines Naturschutzgebietes nicht zu rechtfertigen. Wissenschaftler befürworten, tote Käferbäume aus mehreren Gründen stehen zu lassen. Die Artenvielfalt wird durch das Totholz erhöht und die natürlichen Feinde des Borkenkäfers können sich so besser vermehren. Auch tote Bäume spenden Schatten und sind damit wichtig für den Erhalt des Waldinnenklimas und die nachwachsende Baumgeneration. Durch die Entnahme der Bäume wird die Anfälligkeit der angrenzenden Waldflächen zudem erhöht (https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/schadensmanagement/insekten/kaeferbaeume-stehen-lassen). Andere Forstämter wie das Forstamt Bad Hersfeld praktizieren diesen Umgang mit Käferholz bereits (https://www.hessen-forst.de/post/aktuelles/abgestorbene-fichten-warum-wir-tote-kaeferbaeume-stehen-lassen/)
Fotos: Yvonne Albe
49°43’46.4″N 8°41’56.0″E
Foto: Yvonne Albe
Bodenschäden
An anderen Stellen auf dem Felsberg, in unmittelbarer Nähe zum Naturschutzgebiet, wurden bei Forstarbeiten drastische Bodenschäden und weitere Baumschäden durch Forstmaschinen dokumentiert. Richtlinien zum Bodenschutz nach dem PEFC Standard, nach dem diese Walder zertifiziert sind, wurden dabei nicht beachtet.
Die Forstwissenschaft hat die Folgen der Befahrung des Waldbodens durch Forstfahrzeuge vielfach dokumentiert und erforscht. Die Bodeneigenschaften, die Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit geht verloren, wichtige Bodenorganismen wie Pilze und Waldbodenbewohner werden unwiederbringlich zerstört. Werden durchweichte Böden befahren, wiegen die Schäden noch schwerer. Im unteren Teil des Felsberges wurden nichtsdestotrotz in dieser Einschlagsaison bei starken Regenfällen Durchforstungsmaßnahmen mit schweren Maschinen vorgenommen.
Fotos: Frank Schwabe
Foto: Yvonne Albe
Verletzungen durch Forstmaschinen und Fällungen
Bei den Forstarbeiten wurden zudem viele Bäume verletzt. An durch Forstmaschinen verletzten Bäume entwickeln sich mit der Zeit wundinduzierte Störzonen, die den Baum entwerten. Feuchtigkeit und Pilze dringen durch die Wunden in das Innere des Baumes ein und machen ihn anfälliger gegenüber Krankheiten (https://www.waldwissen.net/de/waldwirtschaft/schadensmanagement/wirkung-von-rindenschaeden).
Foto: Laurent Pasteau / Yvonne Albe
Anpflanzung nicht heimischer Baumarten
Im Leitbild des Bewirtschaftungsplanes für das FFH-Gebiet Felsberg ist folgendes festgehalten:
„Das Leitbild für die Wälder ist die Erhaltung und Förderung naturnaher und strukturreicher Bestände mit stehendem und liegendem Totholz, Höhlen- und Habitatbäumen und lebensraumtypischen Baumarten in ihren verschiedenen Entwicklungsstufen und Altersphasen.“
Es wird hier u.a. auf den Erhalt und die Förderung lebensraumtypischer Baumarten Wert gelegt. Nicht heimische Baumarten sind im Natura 2000 Gebiet Felsberg nicht zu fördern. Dennoch werden im Naturschutzgebiet Douglasien angepflanzt, was im Widerspruch zur FFH-Richtlinie steht.
Waldtypische Gefahren
Es ist uns bewusst, dass dieses Waldgebiet ein hohes Besucheraufkommen hat. Dennoch dürften Fällungen aus Gründen der Verkehrssicherheit nur in dem Umfang stattfinden, in dem die Gesundheit des Waldes keinen Schaden leidet. Auflichtungen und Beeinträchtigungen des Waldinnenklimas sind in Anbetracht der klimatischen Prognosen Gift für den Wald, der weitere Schädigungen aufgrund von Trockenheit nach sich zieht. Der Wald braucht zudem kranke und tote Bäume, um seine in ihm lebenden Arten zu erhalten. Hier müssen andere Wege gefunden werden, um dem Wald eine Chance zu geben, im Klimawandel zu bestehen. Andere Forstbetriebe haben diesbezüglich schon Lösungen gefunden, wie z.B. die Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald: https://www.fbg-saarland.de/pdf/SZ-Bericht%20FBG%2020.01.2021.pdf
Da in Naturschutzgebieten die Gesundheit der Natur Vorrang haben sollte, besteht auch die Möglichkeit, Waldbesucher auf Schildern vor waldtypischen Gefahren zu warnen.
Die Verkehrssicherungspflicht wird häufig als eine unumgängliche Tatsache hingestellt. Fakt ist: Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil 2012 klargestellt, dass das Betreten von Wald und Waldwegen auf eigene Gefahr erfolgt. Ein Urteil des Oberlandesgericht Naumburg vom Dezember 2020 machte deutlich, dass es auch keine Verkehrssicherungspflicht im Wald für akute Gefahren, sogenannte „Megagefahren“ gibt. Das gilt auch für stark frequentierte Wanderwege und Premiumwanderwege. Grundsätzlich gilt: Der Waldbesucher ist für seine eigene Sicherheit selbst verantwortlich (https://www.wanderverband.de/presse/pressemeldungen/wandern-auf-eigene-gefahr).
Dieses Naturschutzgebiet hat echten Schutz verdient!
Das Felsenmeer und der größte Teil des Felsbergs ist durch seine Ausweisung als Naturschutzgebiet, FFH-Gebiet, Natura 2000-Gebiet vielfach geschützt. Darüber hinaus trägt es den Schutzstatus eines Bodendenkmals.
HessenForst ignoriert den Schutzstatus dieses einzigartigen Naturschutzgebietes. Die Gemeinde Lautertal bleibt untätig und lässt HessenForst gewähren. Die wirtschaftliche Komponente steht im Vordergrund. Der Schutz der Natur spielt nur eine untergeordnete Rolle. Ein Teilgebiet des Felsberges sollte schon 2011 stillgelegt werden. Es gab sogar einen Beschluss hierzu. Die Stilllegung wurde aber nie umgesetzt.
Naturschutzgebiete machen in Hessen nur 1,7 Prozent (38.500 ha Hektar) der Landesfläche aus. Darin sind 10.929 Hektar landeseigener Wald enthalten. In Naturschutzgebieten und Europäischen Schutzgebieten muss das Ziel des Schutzes von Arten und Lebensräumen klaren Vorrang haben. Und es muss die Devise gelten: Jede Maßnahme muss einer Verbesserung des Zustandes dienen. Eigentlich sollte es da eine Selbstverständlichkeit sein, dass Wälder in Naturschutzgebieten nicht forstwirtschaftlich genutzt werden. Leider ist dies nur auf 3.100 Hektar der Fall.
Die forstliche Nutzung von Naturschutzgebieten muss endlich aufhören. Maßnahmen wie Auflichtungen, Entnahmen von Bäumen, Bodenverdichtungen sollten der Vergangenheit angehören. Wir brauchen verbindliche Regeln für unsere Schutzgebiete, die ihnen den Schutz geben, der ihnen gebührt.
Wir werden in den nächsten Wochen eine Petition auf den Weg bringen, in der wir ein Ende der forstlichen Nutzung und die Stilllegung des Naturschutzgebietes Felsberg fordern. Wir informieren Sie, sobald die Petition online geht.
2 Responses to “Kein Schutz für ein Naturschutzgebiet”
Kommentarfunktion geschlossen
Liebe Naturfreunde vom NABU! Ich bin geschockt! Im FFH- Gebiet, im Naturschutzgebiet diese vom NABU dokumentierte Form der Forstwirtschaft ist allein aus ethischen Gründen für mich inakzeptabel. Ich schreibe der Ministerin. Ich kann nicht erkennen, dass, das Verschechterungsverbot im FFH- Gebiet geachtet wird. Hessen braucht eine unabhängige Untersuchung der hessischen Forstwirtschaft in FFH- und Naturschutzgebieten. Bis dahin fordere ich die Ministerin auf Hessenforst die weitere Bewirtschaftung von FFH- und Naturschutzgebieten zu entziehen. Ein Einschlagsmoratorium ist n.m.E. erforderlich. Ich selbst habe einen geplanten Betriebsausflug in das NSG Felsberg (Felsenmeer) gestrichen, nachdem bei einer Vorexkursion mich Buchenkahlschläge und Douglasienanpflanzungen im NSG schockten. Diese Form der hessischen Forstwirtschaft bedroht n.m. Einschätzung unser Naturerbe, und die politische Zukunft der Ministerin. Darf ich Eure Dokumentation und Eure Bilder verwenden? Mit freundlichen Grüßen Dr. Nikolaus Berens aus Würzburg PS: Gerne können wir telefonieren ()
Guten Abend Herr Dr. Berens und vielen Dank für Ihren Kommentar und die angebotene Unterstützung. Wir kommen auf Ihr Angebot gern zurück, melden uns in den kommenden Tagen bei Ihnen und senden Ihnen dann auch die Bilder.
Schöne Grüße von der Waldgruppe NABU Seeheim-Jugenheim