Der NABU Hessen hat sich bereits im letzten Jahr intensiv für den Erhalt der Bäume am Waldkunstpfad Darmstadt engagiert. Um gute Lösungen für Mensch und Natur zu finden, setzte er sich für einen Ortstermin mit Vertretern aus Forstverwaltung, Umweltministerium, Kommune und Naturschutz ein. Bei dem Vor-Ort-Termin, der rechtzeitig vor den beabsichtigten Fällmaßnahmen am 3.11.2021 stattfand, sollten Art und Umfang der Forstarbeiten in einer gemeinsamen Kompromisslösung abgestimmt werden. Beteiligte waren u.a. O. Conz (Staatssekretär im HMUKLV), C. Wilke (Abteilungsleiter Forst im HMUKLV), M. Gerst (Landesbetriebschef HessenForst), H. Müller (Leiter Forstamt Darmstadt), S. Scholz (Bereichsleiter Produktion Forstamt Darmstadt), M. Kolmer (Umweltdezernent Stadt Darmstadt), G. Eppler (Landesvorsitzender NABU Hessen), K.-H. Waffenschmidt (Vorsitzender NABU Nieder-Ramstadt), Dr. U. Promies (NABU Nieder-Ramstadt), M. Bertram (Forstwissenschaftler).
Der gemeinsam vereinbarte Kompromiss aller Beteiligten sah vor, dass von den ursprünglich zur Fällung vorgesehenen 160 Bäumen nur der Teil gefällt werden sollte, von dem im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht eine konkrete Gefahr für die Waldbesuchenden ausging. Bei dem Ortstermin wurde außerdem festgelegt, dass Einrichtungen des Waldkunstpfads aus astbruchgefährdeten Waldteilen herausgenommen und in einen Bereich mit jüngeren Bäumen verlagert werden, was der NABU Hessen ausdrücklich begrüßt. Bei den dann durchgeführten Fällarbeiten im Januar wurden insgesamt 42 Bäume entfernt. Dies entsprach der Ankündigung des Landesbetriebschefs von HessenForst, nur etwa ein Drittel der Bäume zu fällen. Der Umfang der durchgeführten Forstarbeiten liegt auch im Rahmen des gemeinsamen Kompromisses beim Vor-Ort-Termin im November.
Deutlich zu kritisieren ist aber, dass entgegen der Absprache nicht nur Bäume zu Fall kamen, die aus Verkehrssicherungsgründen dringlich zu entfernen waren. Es wurden sichtlich auch gesunde Buchen gefällt. Eine Aussage, wie die des Forstamtsleiters, das Forstamt würde hier „vorausschauend“ handeln und auch gesunde Altbuchen ernten, die gegebenenfalls in ein bis zwei Jahren ein Problem bringen könnten, sind für den NABU Hessen vollkommen inakzeptabel. Der Bürgerprotest ist daher verständlich und gut nachvollziehbar, er wird vom NABU Hessen unterstützt. Gesunde alte Buchen haben an einem Standort, an dem der Wald erheblich unter Trockenschäden leidet, eine besondere Bedeutung für Klimaresilienz, Erholung und Artenschutz. Dieser Wert übersteigt den reinen Holzwert um ein Vielfaches. Daher fordert der NABU Hessen das Land auf, sich am Waldkunstpfad Darmstadt ausschließlich auf eine unverzichtbare Verkehrssicherungspflicht zu beschränken. Um künftig sicherzustellen, dass Bäume nicht aus ein rein ökonomischen Erwägungen gefällt werden, sollte das Land dem Forstamt auferlegen, das Angebot der Stadt Darmstadt anzunehmen, einen Hubsteiger zur Verkehrssicherung im Wald einzusetzen. Mit dem Hubsteiger ist es problemlos möglich, einzelne dürre Äste aus den Kronen herauszuschneiden. Falls eine Baumfällung unumgänglich ist, muss der gefällte Baum als Totholz im Bestand verbleiben.
Nicht nachvollziehen kann der NABU Hessen die schlechte Informationspolitik des Forstamts Darmstadt. Die Weigerung des Forstamtsleiters, Auskunft über den Umfang der Fällmaßnahmen zu geben, ist angesichts der Vorgeschichte des Konflikts vollkommen unverständlich. Hier hätte vorher klar kommuniziert werden müssen, wie viele Bäume entnommen werden sollen. So hat auch der NABU Hessen erst nach den ersten Fällungen durch Nachfrage im Umweltministerium am 27.1.22 Auskunft dazu erhalten. Es war deshalb nicht möglich, schon vorher einen neuen, über den Ortstermin am 3.11.21 hinausgehenden Sachstand zu kommunizieren. Daher ist die Empörung der Waldinitiativen und der Zweifel, ob das Forstamt sich wirklich an gemeinsame Absprachen hält, für den NABU Hessen gut nachvollziehbar.
Der NABU Hessen sieht keine Möglichkeit für rechtliche Schritte gegen die Baumfällungen am Waldkunstpfad und hat daher – entgegen den Wünschen einer Bürgerinitiative – keinen Eilantrag gegen die Forstmaßnahmen gestellt. Zudem waren zu dem Zeitpunkt, als der NABU Hessen seitens lokaler Akteure dazu aufgefordert wurde, bereits der größte Teil der Bäume gefällt. Das Einleiten rechtlicher Schritte ist schwierig, weil die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. So handelt es sich bei den Buchen nicht um „Naturdenkmäler“. Dies ist eine Schutzgebietskategorie des Bundesnaturschutzgesetzes, die ein offizielles Ausweisungsverfahren voraussetzt. Zudem steht nur ein Teil der Bäume innerhalb eines Europäischen Schutzgebietes (FFH). Selbst dieser Status verbietet aber nicht grundsätzlich die forstwirtschaftliche Nutzung der Bäume – sie findet im Regelfall statt, hat aber das Verschlechterungsverbot der FFH-Richtlinie zu beachten. Ein Einschlag erfordert auch keine explizite Zustimmung von Naturschutzverbänden. Die Nutzung der Buchen bewegt sich darüber hinaus im Rahmen des 10jährigen Forsteinrichtungsplans. Damit ist der Einschlag nicht illegal, sondern letztlich eine politische Frage des Waldeigentümers, hier des Landes Hessen.
Für die Zukunft erwartet der NABU Hessen eine bessere und transparente Informationspolitik des Forstamts, nicht nur, aber insbesondere in Bereichen, die bekanntermaßen ökologisch und für die Naherholung im direkten städtischen Umfeld besonders sensibel sind. Die Jahresendgespräche mit den Umweltverbänden bieten sich hier in besonderer Weise an, um die im Folgejahr anstehenden Hiebsmaßnahmen anzusprechen und eventuelle weitere Fällungen aus Verkehrssicherungsgründen auf ein Mindestmaß zu beschränken.
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