Land Hessen stoppt die Ausweisung von Naturwäldern als Naturschutzgebiete
Wetzlar – Per Erlass vom 2. Februar hat die neue Landesregierung die Regierungspräsidien Kassel und Darmstadt angewiesen, den Ausweisungsprozess von zahlreichen Naturwäldern als Naturschutzgebiete in Nord- und Südhessen bis auf weiteres zu stoppen. Der NABU Hessen ist fassungslos darüber. „Damit wird nicht nur Hessens zweitgrößtes Naturschutzgebiet im Reinhardswald in Frage gestellt, sondern auch viele andere wertvolle Waldgebiete, die für eine nachhaltige Zukunft gesichert werden sollten“, so Maik Sommerhage, Landesvorsitzender des NABU Hessen. Im Reinhardswald ist bislang ein 1.293 Hektar großes Naturschutzgebiet vorgesehen.
Noch im Januar hatte das Hessische Umweltministerium unter der damaligen Leitung von Priska Hinz die Ausweisung der Naturschutzgebiete bis zum Frühjahr angekündigt. Im jetzigen Erlass kündigt das Umweltministerium nun eine „Neubewertung“ an. Dies stößt auf völliges Unverständnis der Naturschützer. In den Waldgebieten werde bereits seit vier Jahren auf Holzeinschlag verzichtet, es fehle nur noch die rechtliche Sicherung als Naturschutzgebiet. „Die Naturwälder sind vollständig im Landeseigentum, es sind also keine privaten Eigentümer betroffen.
Welchen Hintergedanken hat die neue Regierung, wenn sie diese Schutzprojekte nun so plötzlich stoppt?“, so Sommerhage. Die Schutzgebiets-Ausweisung war im Jahr 2020 vom Umweltministerium per Erlass angeordnet worden. Im Erlass hieß es damals noch „Die Verfahren zur Ausweisung der Kernflächen als NSG sind bis zum 1. Februar 2022 zum Abschluss zu bringen.“
Betroffen sind neben dem Reinhardswald ein 280 Hektar großes Naturwald-Schutzgebiet im Hohen Keller (Schwalm-Eder-Kreis), die Hessische Schweiz bei Meinhard (184 ha), Wälder am Breiten Berg bei Haselstein (65 ha) in der Rhön, Wälder am Roten Moor (128 ha), Naturwälder am Melibocus an der Bergstraße (421 ha), Wälder am NSG Mönchbruch von Mörfelden und Rüsselsheim (206 ha), ein Naturwald bei Mörfelden-Walldorf (253 ha), der Bürstädter Wald (470 ha) und die Erweiterung des NSG Heegbachaue bei Messel (167 ha). In den Gebieten soll sich ein vom Menschen unbeeinflusster Naturwald entwickeln. Es gibt keine Holznutzung mehr, so dass die Bäume 300 Jahre und älter werden können. Im üblichen Wirtschaftswald werden sie mit 140 bis 180 Jahren gefällt. Erst alte Wälder bieten die Lebensräume für besonders seltene Arten. „Die Naturwaldflächen sind gerade im Klimawandel besonders wichtig. Mit einem geschlossenen Kronendach können sich Wälder besser vor Austrocknung schützen“, so Mark Harthun, Waldexperte beim NABU Hessen. In natürlichen Wäldern könnte man auch den Wechsel von Baumarten und ihre Anpassungsfähigkeit beobachten und das Wissen für die Forstwirtschaft nutzen. Deshalb spielten Naturwälder beim natürlichen Klimaschutz eine herausragende Rolle.
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