Feb 232024
 

Oder: Wie HessenForst unter eigener Aufsicht vorgeht

Die Holzernte im Gebiet der “Haarnadelkurve” vor Ober-Beerbach sticht ins Auge, und sowohl bei besorgten und empörten Bürgern als auch bei Waldschützern fallen schon beim Vorbeifahren die schiere Dimension und Anzahl der geschlagenen Buchen schmerzhaft auf. Bei nur etwas näherem Hinsehen geraten einige weitere Punkte in den Blick:

So wurden am südlichen Rand der Fläche an zwei Stellen ältere Buchen gefällt. Ein vormals geschlossener Bestand ist dadurch nun weit geöffnet, so dass von Süden her starke Sonneneinstrahlung auf vormals beschattete Buchenstämme treffen wird. Die Schattenbaumart Buche bekommt bei plötzlicher Freistellung “Sonnenbrand”. Es droht ein Dominoeffekt. Verstärkt wird diese Störung des Waldinnenklimas auch dadurch, dass der Wind an dieser Stelle meist von Südwesten kommt – mit ihm halten künftig Hitze und Trockenheit verstärkt in den vormals geschlossenen und gesunden Bestand Einzug.

Zusätzlich entwässert wird das Gebiet in Folge der Befahrung des Waldbodens mit schwerem Gerät:

Freigestellte Buchen mittleren Alters, deren Stämme vormals beschattet waren und bei denen durch plötzliche Sonneneinstrahlung mit Trockenschäden am Stamm zu rechnen ist, finden sich an mehreren Stellen innerhalb des Bestands. Dort sind die zu erwartenden Auswirkungen zwar weniger gravierend als am geöffneten Südrand. Dennoch sind auch durch diese Freistellungen künftige Trockenschäden zu erwarten. Mindestens eine dieser durch unnötige Stressfaktoren auf den Bestand einwirkenden Situationen ist direkt neben der Straße geschaffen worden.

Spätestens wenn dort in den kommenden Jahren die zu erwartenden Trockenschäden entstanden sind, werden die betroffenen Bäume der Verkehrssicherungspflicht zum Opfer fallen. Der zuständige Förster wiederholte in seinen Ausführungen immer wieder, dass es wichtig sei, zum Erhalt der Buchenwälder Kronendächer dicht zu halten. Hier wurden also die eigenen sinnvollen Ziele missachtet. 

Neben diesen Schäden am Bestand ist zu kritisieren, dass zahlreiche ältere Buchen aus dem Bestand genommen worden sind, die für das lokale Ökosystem besonders wichtig gewesen wären. Die Naturschutzleitlinie für den hessischen Staatswald sieht als eines ihrer Kernelemente den expliziten “Schutz und die Erfassung sogenannter Methusalembäume” vor. Solche Bäume sollen laut der Leitlinie “wie obligatorische Habitatbäume als besondere Einzelschöpfungen der Natur grundsätzlich erhalten [werden]. Sie leisten einen herausragenden Beitrag zur Artenvielfalt und zur Waldgenetik und haben vielfach kulturhistorischen Wert.”

Zwei potenzielle Methusalem-Bäume (Buchen mit einem Durchmesser in Brusthöhe von mehr als 80 cm) und zahlreiche Bäume, die mit einem Durchmesser von mehr als 70cm bald als Methusalem-Anwärter hätten gelten können, wurden stattdessen gefällt und liegen bereit zum Abtransport. 

Das Waldstück vor dem Einschlag. Foto: Yvonne Abe

Diese Maßnahme zeigt, wie Wälder behandelt werden, wenn es nicht ganz konkrete Vorschriften und Kontrollinstanzen gibt. Die Gemeinde Seeheim-Jugenheim hat gut daran getan, ein Moratorium für den Einschlag in alte Buchenbestände zu beschließen, bis Strategien zu einem verantwortungsvollen Umgang mit unseren Wäldern entwickelt worden sind.

Staatswald
Der Wald innerhalb der Haarnadelkurve hinauf nach Ober-Beerbach ist Staatswald, das heißt Wald im Besitz des Landes Hessen. Der hessische Staatswald umfasst 344.150ha, die derzeit wie die meisten Kommunalwälder noch von HessenForst betreut werden. Die Bewirtschaftung unterliegt damit vor allem dem hessischen Waldgesetz. Daneben gilt aber auch die Richtlinie für die Bewirtschaftung des hessischen Staatswaldes und die Naturschutzleitlinie für den hessischen Staatswald. Insbesondere diese erst 2022 erlassene Leitlinie enthält wegweisende Vorgaben für den Walderhalt und der Artenvielfalt im Wald, vor allem durch den Schutz alter Bäume und Habitatbäume sowie durch die Steigerung des Vorrats an Totholz (Zielvorgabe auf 40m3/ha). Für die Einhaltung von Vorgaben und Leitlinien kontrolliert HessenForst sich allerdings selbst.

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