Mai 242024
 

Ein Beitrag von Yvonne Albe

Das Europäische Parlament ist die einzige direkt gewählte, transnationale Versammlung der Welt. Auf europäischer Ebene werden Gesetze verabschiedet, die relevant für unser Leben und Überleben in der EU sind. Die Klimakrise und das Sterben der Arten sind die größten Herausforderungen für unsere moderne Zivilisation. Ohne eine intakte Natur verlieren wir unsere Lebensgrundlagen und wirtschaftliche und soziale Sicherheit. Aus diesem Grunde hat das Europäische Parlament nach langen Debatten und mit einigen Kompromissen das Gesetz zur “Wiederherstellung der Natur” verabschiedet. Damit sollen in der EU künftig Wälder wiederhergestellt, Bäume in Städten gepflanzt sowie Moore und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Bis 2030 sollen 20 Prozent der Land- und Seeflächen in der EU renaturiert werden. Das Gesetz hat das Ziel, den weiteren Rückgang der natürlichen Lebensräume in Europa zu stoppen, da über 80 Prozent der europäischen Lebensräume sich bereits in einem schlechten Zustand befinden. Mit Hilfe dieses Gesetzes sollen Hitzewellen, Dürren, Starkregenereignisse und Überschwemmungen abgemildert werden. Das Renaturierungsgesetz ist zudem notwendig, um das Biodiversitätsabkommen von Montreal zu erfüllen, nach dem weltweit bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent der geschädigten Flächen Reparaturmaßnahmen beginnen sollen. 

Doch leider sind im EU-Parlament konservative und rechte Kräfte sehr stark, so dass das Ergebnis zur Verabschiedung dieses Gesetzes sehr knapp war. Es wurde mit 329 Ja-Stimmen und 275 Nein-Stimmen verabschiedet. 24 enthielten sich bei der Abstimmung in Straßburg. Unter den deutschen Abgeordneten stimmten Bündnis90/Die Grünen, SPD und die Linke dafür, CDU, CSU und AfD und Freie Wähler dagegen. 

Noch ist das Gesetz nicht in trockenen Tüchern, denn nach seiner Verabschiedung will Alexander de Croo, Vorsitzender der EU-Ratspräsidentschaft und Belgischer Premierminister, dieses Gesetz verhindern und beeinflusst unentschiedene Minister im Umweltrat, dessen finale Zustimmung zum Gesetz notwendig ist. Jutta Paulus, deutsche EU-Abgeordnete der Grünen, hat daher eine Petition (https://actionnetwork.org/petitions/natur-retten/) ins Leben gerufen, mit der der belgische Premierminister aufgefordert wird, seiner Verantwortung nachzukommen.

Unsere Wahl bei der Europawahl wird sich auch auf die Natur wie hier an den Märchenteichen in der Gemeinde Seeheim-Jugenheim auswirken. Der Schutz unserer Wälder und Dünen in FFH-Gebieten liegt in der Hand der EU-Abgeordneten.

Auf europäischer Ebene wird durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie auch ein Rahmen vorgegeben, wie mit Europäischen Schutzgebieten umgegangen wird. Die Schutzgebiete werden auch kurz FFH-Gebiete oder Natura-2000-Gebiete genannt. In der Gemeinde Seeheim-Jugenheim existieren mehrere dieser Schutzgebiete: Am bekanntesten ist Ihnen sicherlich das FFH-Gebiet “Kniebrecht, Melibocus und Orbishöhe bei Seeheim-Jugenheim, Alsbach und Zwingenberg”. Es umfasst u.a. die Alexanderhöhe, den Tannenberg, den Kniebrecht, den Melibokus und den Heiligenberg. Es gibt darüber hinaus noch einige FFH-Gebiete in der Region, die für uns Bürger als Erholungsgebiete und für den Schutz wichtiger Pflanzen- und Tierarten wichtig sind: Der “Felsberg bei Reichenbach”, die “Kühkopf-Knoblochsaue”, “die Buchenwälder des Vorderen Odenwaldes”. Für diese Gebiete gelten bestimmte Schutzziele und Richtlinien, sie sind besser geschützt als normale Wirtschaftswälder und -flächen. Auch hier sind wir darauf angewiesen, dass konservative Parteien im EU-Parlament nicht die Oberhand gewinnen. Denn die EVP (Europäische Volkspartei), zu der die deutsche CDU und CSU gehört, hat nach Informationen der EU-Abgeordneten Paulus kürzlich angekündigt, die FFH-Gesetzgebung aufweichen/überprüfen zu wollen, um Landwirten und Konsumenten mehr Rechte einzuräumen (siehe das EPP-Manifest).

Ein Europäisches Flora-Fauna-Habitat in der Nähe von Brüssel

Auch wenn die FFH-Richtlinien theoretisch bisher sehr gut sind, um diese Naturräume zu schützen; bei der Umsetzung tut sich Deutschland noch immer schwer: Die Europäische Kommission hat daher Deutschland letztes Jahr vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, da Deutschland die Richtlinien an vielen Stellen bisher nicht umgesetzt hat. 

Die EU-Kommission gibt auch Empfehlungen für die naturnahe Bewirtschaftung aller Wälder, die dem Runden Tisch Wald in Seeheim-Jugenheim, der hoffentlich bald seine Arbeit wieder aufnehmen wird, als wichtige Quelle dienen können.

Was wir jetzt brauchen, ist eine starke Natur, die uns und die kommenden Generationen mit dem, was wir zum Leben und Überleben brauchen, versorgen kann: Mit sauberer Luft, gesunden Böden und Wäldern und grünen, im Sommer kühlen Städten. Ohne die europäischen Initiativen wären viele Schutzmaßnahmen, die  für uns alle und unsere Zukunft so wichtig sind, nicht europaweit durchsetzbar. Und dafür brauchen wir EU-Parlamentarier, die sich für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einsetzen.

Dieser Artikel ist in gekürzter Form im Grünspecht (Mai 2024) der Grünen Seeheim-Jugenheim erschienen.

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