Jan 022023
 

An einem Wanderweg am Langen Berg direkt am Waldrand oberhalb Seeheim fällt – wie leider an vielen Stellen des Gemeindewaldes – eine ungewöhnliche Häufung von kranken Buchen auf: Die Baumrinde der Buchen ist an einer Seite vom Stammfuß bis in mehrere Meter Höhe hinauf aufgeplatzt, auf der Rückseite aber vollkommen intakt. Ist das ein Zufall oder Folge der Trockenheit?

Buchen am Langen Berg oberhalb Seeheim mit auffälligen Rindenschäden

Diese Bäume haben Sonnenbrand. Die Baumrinde zeigt hier einen Effekt, ganz ähnlich dem menschlicher Haut, wenn sie nach langer dunkler Winterzeit ungeschützt der prallen Frühjahrssonne ausgesetzt wird: Sie verbrennt. Geschlossene Buchenwälder sind kühl und schattig – wird das Kronendach plötzlich aufgerissen, trocknet die plötzliche starke Einstrahlung die empfindliche und dünne Rinde der Buchen aus. Insbesondere am Waldrand oder wie hier auf exponierter Fläche sind diese Effekte besonders stark. Die Rinde platzt auf und legt das Kernholz frei. Nährstoffe können nicht mehr transportiert werden, Pilze und Insekten haben freie Bahn, die Buche ist dem Tode geweiht.

Rote Rechtecke: Todgeweihte Buchen mittleren Alters mit massiven Rindenschäden.
Rote Ellipsen markieren die Standorte der entnommenen Starkbuchen am ehemaligen Waldrand.

Eine konkrete Ursache ist schnell gefunden: Hier wurden Bäume entnommen. Zwei starke Buchen hatten hier die stabilisierende Schlüsselfunktion direkt am Waldrand. Beide Bäume wurden bei einer Hiebsmaßnahme entnommen, der Schutzschirm gegen Sonne dadurch aufgerissen. In den letzten Hitzesommern hatte an dieser Stelle heiße Luft direkten Zugang zum Waldinneren und trocknet den Boden dieser exponierten Hanglage weiter aus. Die Freistellung hat den Sonnenbrand an dieser exponierten Lage stark begünstigt. Wie in einem Dominoeffekt frisst sich der Schaden weiter in den Wald hinein.

Die Entnahme zweier Bäume hat hier maßgeblich zur Schwächung und zum voraussehbaren Absterben sechs starker Bäume beigetragen. Das ist finanziell ein schlechter Deal und naturschutzfachlich katastrophal. Denn dieses Waldstück bricht zusammen und liefert für die nächsten 120 Jahre garantiert gar kein Nutzholz, bringt keinen Gewinn mehr für die Gemeindekasse und kann nur einen sehr geringen Beitrag zur Kühlung des nahen Seeheim in den nächsten heißen Sommern leisten. Wie eine neue wissenschaftliche Studie zeigt, sind die Auflichtungen, die vor einigen Jahrzehnten in Buchenbeständen vorgenommen wurden, mitverantwortlich für das jetzige Sterben alter Buchen. Da Hitze und Trockenheit immer drastischer ausfallen, werden Trockenschäden heute schon häufig nach ein paar Jahren nach der Freistellung sichtbar.

HessenForst plant, am Langen Berg zwischen Januar und März 2023 weitere Buchen zu fällen

Am Langen Berg werden gemäß gültigem Waldwirtschaftsplan zwischen Januar und März 400 Festmeter Buche gefällt. GemeindevertreterInnen von Seeheim-Jugenheim hatten – im Vertrauen auf die Fachkompetenz des Forstanbieters HessenForst – dem Vorgehen mehrheitlich zugestimmt. Und das, obwohl sich der Wald am Langen Berg in vielen Teilen in schlechtem Zustand befindet und schon die forstwirtschaftlichen Fehlentscheidungen der Vergangenheit finanzielle und naturschutzfachliche Folgeschäden sichtbar machen.

Der NABU fordert ein sofortiges Moratorium für Fällungen in älteren Buchenbeständen im Gemeindewald Seeheim-Jugenheim, bis ein Gutachten die Unschädlichkeit des Vorhabens für den Wald nachweist.

Am 10.01.2023 werden die Ergänzungsanträge zum Waldwirtschaftsplan von SPD und Grünen im Umweltausschuss behandelt. Die Sitzung findet um 20 Uhr im Raum Rottmannsdorf  im Bürgerhaus im Ortsteil Ober-Beerbach, Im Mühlfeld 7, 64342 Seeheim-Jugenheim statt.

Insbesondere der Antrag der SPD enthält vielversprechende Ansätze zur Entwicklung einer Waldstrategie und sieht eine Aussetzung der Hauptnutzung in allen Waldflächen vor. Wir empfehlen den anderen Parteien, sich diesem Antrag anzuschließen.

  Eine Antwort to “Buchen mit Sonnenbrand”

  1.  

    Lieber NABU,
    das ist ein sehr anschaulicher fachkompetenter Beitrag. Wer als verantwortliche Bürger- oder Politiker:in diese Erklärungen nicht versteht und nicht handelt, ignoriert auf gefährliche Weise die Bedeutung unseres Waldes für unser Klima und unsere Region. Bitte schaut nicht weg und engagiert euch für unseren Wald – Kommt zu den Sitzungen!

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