Mrz 242022
 

Der NABU Seeheim-Jugenheim hatte jüngst festgestellt, dass bei Forstarbeiten im Bickenbacher Wald übermäßig viel Schaden angerichtet worden war, und wandte sich damit an die Gemeinde Bickenbach und den zuständigen Revierförster. Die Gemeinde besitzt eine Teilnahme-Urkunde, die bescheinigt, dass sie an der PEFC-Zertifizierung der Region Hessen teilnimmt.1 Die Vorgaben für diese Zertifizierung sah der NABU Seeheim-Jugenheim in punkto Bodenbefahrung, Schäden am Bestand, Biotopbaumausweisung und Entsorgung von Plastikmüll (Wuchshüllen) nicht eingehalten. Darüber hinaus wurde eine zu massive Auflichtung des Kronendachs durch übermäßige Entnahme von Bäumen kritisiert, die in Zeiten des Klimawandels dem geschwächten Wald verstärkt zusetzt.

Bürgermeister Hennemann hatte die Kritik des NABU Seeheim-Jugenheim gemeinsam mit dem Revierförster Herr Hungenberg zunächst zurückgewiesen, aber dann doch aufgenommen und die Regionale PEFC-Arbeitsgruppe Hessen e.V. (RAG) im Rahmen eines Verwaltungstermins2 um eine Überprüfung gebeten. Der NABU Seeheim-Jugenheim hatte ein paar Tage später ebenfalls eine Beschwerde bei PEFC eingereicht.

Bei einem Vororttermin mit Frau Pauls vom PEFC am 22.3.2022, zu dem Herr Hennemann einen Vertreter des NABU eingeladen hatte (vor Ort waren außerdem der zuständige Revierförster Herr Hungenberg, der stellvertretende Forstamtsleiter Herr Kalinka und ein Mitarbeiter des Bauhofs Bickenbach; weitere NABU-Vertreter:innen wurden nicht zugelassen), zeigte sich, dass die schweren Forstmaschinen eines Selbstwerbers in Form von Harvestern an vielen Stellen die Rückegassen verlassen hatten und in den Bestand gefahren waren.

Yvonne Albe, die als Vertreterin des NABU zugegen war, wies zudem auf Gassen hin, die nicht geradlinig und parallel, wie vom PEFC-Standard gefordert, angelegt wurden, sondern in Verästelungen, vereinzelt zu dicht aneinander und im Kreisverkehr (siehe Skizzen der Rückegassen hier und hier, sie wurden per GPS-Tracking erstellt und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und exakte Darstellung.).

Damit wurde nicht nur Waldboden übermäßig in seiner Funktion als Wasser- und Nährstoffspeicher beschädigt, sondern dem Wald bzw. der Gemeinde Bickenbach wurden auch Fläche für die Holzproduktion genommen, da auf den befahrenen Böden Jahrzehnte bis Jahrhunderte kein gesunder Aufwuchs mehr möglich ist. Sandböden wie auf diesem Standort sind im Vergleich zu Tonböden zwar weniger befahrungssensibel, „bereits geringe Schluffanteile können jedoch eine drastische Erhöhung der Empfindlichkeit von solchen Böden bewirken.“ Schluffanteile sind auf diesen Standorten vorhanden. Auch Wuchshüllen, ihrer Funktion entledigt, wurden nicht ordnungsgemäß entsorgt.

Die PEFC-Regionalassistentin Frau Pauls sah diese Vorgehensweisen nicht mit dem entsprechenden Kriterium im PEFC-Standard vereinbar. Der zuständige Revierförster Herr Hungenberg gab an, dass mehr Holz entnommen wurde, als in der Forsteinrichtung festgelegt ist, und begründete dies mit Baumentnahmen aufgrund von Verkehrssicherungspflicht. PEFC wird laut Frau Pauls die Vereinbarkeit von Forsteinrichtung und entnommenen Holzmengen prüfen. Der Erhalt von Biotopbäumen wurde nicht eingehend thematisiert, und Schäden am Bestand befand Frau Pauls im Rahmen der von den Richtlinien geforderten 10%.

Um weiterhin im Besitz der Teilnahmeurkunde für die PEFC-Zertifizierung zu bleiben, sind HessenForst und die Gemeinde Bickenbach nach Erscheinen des Auditberichts aufgefordert, in Bezug auf die verletzten Richtlinien Korrekturmaßnahmen einzuleiten und sicherzustellen, dass derartige Abweichungen vom PEFC-Standard nicht wieder vorkommen.

Ob der NABU auf einem eigenen Beschwerdeverfahren besteht, hängt davon ab, ob er Einsicht in den Auditbericht und die vorgeschlagenen Korrekturmaßnahmen bekommt. Die Klärung dieses Sachverhaltes liegt derzeit bei PEFC.

Es ist nicht (nur) der Klimawandel, der hier und in vielen anderen Wäldern der Region Schaden anrichtet:  Es ist die hoch intensive „ordnungsgemäße“ Forstwirtschaft seitens des Forstdienstleisters HessenForst bzw. deren beauftragte Selbstwerber und Unternehmer, die nicht ausreichend von HessenForst kontrolliert werden, die den Wald (zusätzlich) schädigen.

Der NABU Seeheim-Jugenheim rät der Gemeinde, ihre Dienstleister besser zu kontrollieren und externe und von HessenForst unabhängige Beratung suchen. Der NABU kann hier gerne Kontakte herstellen, die Alternativen zur konventionellen, intensiven Waldwirtschaft darstellen. Die Erstellung von eigenen Richtlinien, die der in der Bickenbacher Forsteinrichtung formulierten vorrangigen Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes dienen, wäre ein weiterer möglicher Schritt auf dem Weg zu einem Wald, der Chancen hat, im Klimawandel zu bestehen.

Nach Erscheinen des Auditberichtes wollen sich Herr Bürgermeister Hennemann und Vertreter des NABU Seeheim-Jugenheim zu einem gemeinsamen Gespräch verabreden. Der NABU Seeheim-Jugenheim steht für weitere Gespräche im Sinne der besseren und naturgemäßen Waldbehandlung jederzeit zur Verfügung.

Der NABU Seeheim-Jugenheim möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass das PEFC-Siegel kein Naturschutzsiegel ist. Es wird weltweit von Naturschützern oder auch dem Umweltbundesamt kritisiert: Er sei eben nur ein Mindeststandard basierend auf sehr biegsamen und laschen Vorgaben, die leicht einzuhalten seien, die dem Wald aber kaum zusätzlichen Schutz gegenüber nicht zertifizierten Flächen gewähren und die außerdem zu selten und zu nachlässig kontrolliert werden. Die Kontrolle hat in diesem Fall stattgefunden. Der beauftragte Forstdienstleister HessenForst und das ausführende Unternehmen konnten diese Mindestanforderungen vor allem in einem zentralen Teil aber nicht erfüllen: Die Erhaltung eines gesunden Waldbodens, den der Wald als Basis braucht. Wer sich die Schäden an Bäumen vor allem im Unterwuchs und Zwischenstand im Wald und das stark aufgelichtete Kronendach, das die Fläche der Hitze und Trockenheit preisgibt, ansieht, wird feststellen, dass der PEFC-Standard nicht zum Schutz des Waldes taugt.


[1] Der „Holzkontor“, die Vermarktungsgesellschaft, über die Bickenbach ihr Holz vertreibt, hatte auf seiner Internetseite angegeben, dass das Bickenbacher Holz zusätzlich zum PEFC-Siegel auch eine Zertifizierung nach FSC besitzt (siehe Screenshot vom 6.3.2022). Aufgrund dieser Information musste die Öffentlichkeit davon ausgehen, dass die Wälder der Gemeinde auch nach den leicht strengeren Richtlinien des FSC bewirtschaftet werden. Nachdem der NABU Seeheim-Jugenheim einen Artikel veröffentlichte, der auf diese beiden Zertifizierungen Bezug nahm, verschwand der Eintrag zur FSC-Zertifizierung von der Webseite. Dieser Sachverhalt wurde in einem Artikel im Darmstädter Echo trotz vorheriger Mitteilung durch den NABU nicht erwähnt.

[2] Herr Hennemann gab in seiner Einladung zu diesem Termin an den NABU Seeheim-Jugenheim an, dass es sich um einen „Verwaltungstermin“ handele. In einer Mail von PEFC wurde diese Angabe als unzutreffend bezeichnet: „Richtig ist, dass der Bürgermeister der Gemeinde Bickenbach, Herr Hennemann, sich mit seinem Anliegen über die Regionalassistenten an die RAG gewandt hat, die zuständig für die Systemstabilität in der Region Hessen ist. Um diese sicherzustellen, greift die RAG u.a. auf ein Internes Monitoring und ein Beschwerdeverfahren zurück.“

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