Für den gestrigen Donnerstag, 22.7.2021, hatten wir erneut Gelegenheit, mit Forstwissenschaftler Volker Ziesling den Wald rund um das Felsenmeer zu besichtigen, um Interessierten forstwissenschaftliche Einblicke rund um das Thema unserer Petition vermitteln zu lassen. Es war und ist uns allerdings auch ein großes Anliegen, dass man miteinander ins Gespräch kommt und unterschiedliche Argumente und Sichtweisen austauscht. Dieser Aspekt stand gestern eindeutig im Vordergrund, als immer wieder Diskussionen über unser reines Anliegen, das Naturschutzgebiet Felsenmeer aus forstwirtschaftlicher Nutzung herauszunehmen, hinaus über „das große Ganze“ rund um das Thema Wald entstanden: Gemeindevertreter verschiedener Parteien brachten gesellschaftliche und politische Aspekte in die Diskussion ein, während ein Vertreter von HessenForst seine pragmatische und ebenfalls fundiert forstwissenschaftliche Perspektive deutlich machte. So entstanden immer wieder lebhafte und fruchtbare Debatten, die von uns als sehr bereichernd und sachdienlich empfunden wurden, waren sie doch von Respekt und Wertschätzung geprägt. Am Ende war man sich einig, dass der gestrige Austausch nur der Auftakt einer Zusammenarbeit sei und dass diese Form des offenen Dialogs mit weiteren Gemeindevertretern und Interessierten fortgesetzt werde müsse. Es sei äußerst bereichernd, so ein Lautertaler, wenn man auch mal den Blick von außen auf das Stück Wald bekomme, das man „wie die Westentasche“ kenne und beinahe täglich sehe, weil einem einerseits die tiefgreifenden aber relativ langsamen Veränderungen kaum auffielen, andererseits der Blick von außen auch klar vor Augen führe, wie wertvoll und absolut einzigartig das Felsenmeer in Symbiose mit den Bäumen ist. Volker Ziesling bot an, bei Podiumsdiskussionen oder in der Gemeinde als Gast zu sprechen – Gemeindevertreter bekundeten ebenfalls Interesse, das Gespräch sowohl mit ihm als auch mit uns fortzusetzen.
Diskutiert wurden insbesondere:
- Die Wichtigkeit einer mit allen Beteiligten festgelegten Vision mit geteilten Zielen wurde in einem kurzen Einführungsvortrag betont. Die verschiedenen Funktionen des Waldes als Ökosystem und für den Menschen müssen klar benannt, diskutiert und gegeneinander abgewogen werden, weil sie nicht alle gleichzeitig erreicht werden können.
- Die Auflichtung des Kronendachs, insbesondere in Buchenwäldern, wie sie im Naturschutzgebiet Felsenmeer vorherrschen. Ziesling betont, dass es essenziell für Buchenwälder ist, dass das Kronendach geschlossen bleibt, damit sich darunter das waldtypische Klima entwickeln kann. Dirk Ruis-Eckhardt von HessenForst stimmt grundsätzlich zu, meint aber kleinere Öffnungen seien unumgänglich, um in einen gewünschten Dauerwald Licht für nachwachsende Generationen zu lassen.
- Die Rolle von Neophyten wie der Douglasie: Diese sind nicht Teil der FFH-Lebensraumtypen Hainsimsen– und Waldmeisterbuchenwald und deswegen nicht zu födern oder zu pflanzen. Während Ruis-Eckhardt einen kleinen Anteil an Douglasien begrüßt, sieht Ziesling darin die Gefahr, „Buchenwaldgesellschaften erodieren von innen“, denn Neophyten können sich invasiv verbreiten.
- 5% der Wäldflächen sollten sich natürlich entwickeln können. Laut Bundesamt für Naturschutz sollte dieser Wert bereits im Jahr 2020 erreicht worden sein. Aktuell sind es weniger als die Hälfte davon. Weil Privatwald etwa 50% der Flächen in Deutschland ausmacht, liegt das Ziel für öffentliche Wälder sogar bei 10% – davon sind wir noch weit entfernt. Auch das NSG Felsenmeer zählt leider (noch) nicht dazu.
- Der Waldboden ist nicht nur das wichtigste Kapital des Waldes und Grundlage für jetziges und künftiges Leben, sondern auch wichtiger Speicher von Kohlenstoff. Sei es als lebender Baum, als Totholz oder als Humus: Holz, das im Wald verbleibt, speichert in jedem Fall mehr Kohlenstoff als Holz, das entnommen wird, selbst wenn es nicht verbrannt wird – wie aktuell etwa 70% des Laubholzes! – und damit unmittelbar in CO2 und andere Schadstoffe umgewandelt.
- Erwägungen wie die zum Waldboden weiter gedacht und extrapoliert führen Volker Ziesling und andere zu der Schätzung, dass das Potenzial deutscher Wälder, Kohlenstoff zu speichern, nur etwa zur Hälfte ausgeschöpft wird. Überlässt man mehr Wälder einer natürlichen Entwicklung, speichern sie exponenziell mehr Kohlenstoff im Boden und im Holz.
- In weiten Teilen des Felsenmeers ist der Waldboden durch die Besucherströme stark belastet und kann sich nicht wie im naturbelassenen Wald selbst regenerieren. Es wurden deshalb Möglichkeiten diskutiert, wie man diese Besucherströme besser lenken und damit Erholungsräume für den Waldboden schaffen kann. Sowohl Gemeindevertreter als auch Herr Ruis-Eckhardt brachten Vorschläge hierfür ein, die in der Zukunft weiter diskutiert werden sollen. Denkbar wären etwa Bohlenwege wie in Dünen oder Mooren, um dem Wald wieder eine natürlichere Bodenbildung zu ermöglichen.
- Die Quintessenz, die von allen Diskutierenden geteilt wurde, bestand darin, dass „auf jeden Fall etwas getan werden muss“, um das Naturschutzgebiet Felsenmeer zu schützen und zu erhalten. Die überwiegende Mehrheit sprach sich für mehr Natur und weniger Forstwirtschaft aus: Mehr natürlicher Waldboden, mehr lebende Holzmasse, mehr Artenvielfalt und natürliche Entwicklung der Buchenwaldgesellschaften. Volker Ziesling rief dazu auf, gemeinsam eine Ziel-Vision zu entwickeln von der ausgehend („rückwärts gedacht“) eine Mission, Strategien und Maßnahmen entwickelt werden. Er bot an, in Zukunft weitere Führungen mit Interessierten durchzuführen und warb herzlich dafür.
Am Ende wurde nochmal aufgerufen, unsere Petition zu unterschreiben und zu verbreiten, den wir hier gern wiederholen: Bitte hier unterzeichnen und möglichst weit verteilen – danke!
Eine Antwort to “Debatten und Standpunkte: Waldexkursion Felsberg”
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Vielen Dank, für die gestrigen Einblicke in die Waldproblematik des Felsberges – Welch ein zauberhafter Ort! Ich war schon einige Jahre nicht mehr hier. Der Vortrag und der respektvollen Austausch manch unterschiedlicher Sichtweisen stimmen mich hoffnungsvoll dafür, dass dadurch etwas neues Drittes entstehen kann. Ich bin sehr interessiert mehr über den Zustand des Waldes zu lernen und bin froh über Gelegenheiten, wie diese. Danke Yvonne Albe für die Initiative und Gunnar Glänzel für die treffende Zusammenfassung der Waldbegehung!