NABU kritisiert Lücken in der Waldschutz-Strategie des Landes
Wetzlar – Angesichts der großen Baumschäden durch die Trockenjahre 2018 und 2019 fordert der NABU Hessen das Land auf, wirkungsvolle Maßnahmen zur Stabilisierung der gefährdeten Laubwälder zu ergreifen. „Derzeit werden Baumschäden in den Laubwäldern wie ein tragischer Einzelfall behandelt, den es nur zu reparieren gilt“, wundert sich NABU-Waldexperte Mark Harthun. Dabei sei es sehr wahrscheinlich, dass im Klimawandel noch weitere trockenere Sommer mit erneuten großen Waldverlusten folgen würden. Wichtiger als teure und riskante Aufforstungen von Kahlflächen sei daher der Schutz der bestehenden Laubwälder vor weiterer Austrocknung. Hierbei spielten vor allem ältere Buchenbestände eine große Rolle. Um die Austrocknung zu verhindern, sei es nötig, das Kronendach nicht durch weitere radikale Einschläge weiter aufzureißen. Gerade auf solchen Schirmschlag-Flächen seien in diesem Sommer viele alte Bäume abgestorben. „Der Erhalt alter geschlossener Laubwälder würde weniger als ein Zehntel der Kosten für die zweifelhafte Aufforstung betragen“, so Harthun.
Zum Fachsymposium „Baumarten im Hessischen Wald der Zukunft“ des Landes am Donnerstag fordert der NABU deshalb eine zeitliche Streckung der Ernte, bei der über einen längeren Zeitraum stets nur wenige Bäume gefällt werden. Da Nachbarbäume solche kleinen Bestandslücken relativ schnell wieder schließen könnten, bliebe dadurch das typische feuchte Waldinnenklima erhalten. Der Wald würde sich so zudem von Beständen gleicher Altersklassen in einen vielstufigen Dauerwald von Bäumen verschiedenen Alters umwandeln. „Für nur 1,5 Millionen Euro pro Jahr könnten die Altholzbestände im gesamten hessischen Staatswald auf diese Weise geschützt werden“, so Harthun. Allein für die Reparatur der Trockenschäden der letzten zwei Jahre musste das Land hingegen schon ein 200-Millionen-Euro-Programm auflegen. Nicht die Anpassungsfähigkeit der heimischen Laubbäume sei das derzeitige Hauptproblem, sondern eine unzureichende Praxis der Forstwirtschaft, die die Folgen des Klimawandels noch verschärfe.
Zur Zukunftsvorsorge gehöre auch der Schutz von einigen großen Naturwäldern ohne forstliche Nutzung. Der NABU schlägt dazu acht Klimaschutzwälder in Hessen mit jeweils mindestens 10 km² Größe vor. „Wenn rund 200 km² Wald in nur zwei Sommern einfach wegsterben, sollte der Schutz von 96 km² Naturwäldern für die Ewigkeit eine selbstverständliche Antwort darauf sein“, so Harthun. Solche Wildnisgebiete wären luftfeuchte Wälder mit doppelt so viel Holzmasse, dickerer Humusschicht ohne Bodenverdichtung durch Erntemaschinen und mit vielen umgefallenen Stämmen. Sowohl stehendes als auch liegendes Totholz bindet Wasser und kann damit die Ausbildung des typischen Waldinnenklimas erheblich unterstützen. Nur in solchen Naturwäldern ließe sich die Frage beantworten, welche heimischen Baumarten im Klimawandel unter natürlichen Bedingungen überleben können, ob neue nicht heimische Baumarten gebraucht werden und wie die Forstwirtschaft der Zukunft aussehen muss. Solche Erkenntnisse hätten auch eine großen ökonomischen Wert, da das Aufforsten nicht nur sehr teuer, sondern auch zunehmend riskanter sei: Viele der Jungbäume sterben in trockenen Sommern gleich wieder ab, da sie im Wald nicht gegossen werden könnten.
Nach Auffassung des NABU sollten dem hessischen Wald einige Jahre Zeit gegeben werden, um das natürliche Aufwachsen von jungen Bäumen ohne Pflanzungen zu ermöglichen. Zu den wichtigen Zukunftsmaßnahmen gehöre es auch, Entwässerungsgräben weitgehend zurückzubauen sowie Waldmoore und Waldgewässer zu renaturieren. Die Walderschließung dürfe zu keiner Beschleunigung des Wasserabflusses und des Sedimentaustrags führen. Dieses sei auch für den vorbeugenden Hochwasserschutz essentiell. Darüber hinaus sollte es in Hessens Wäldern keinen weiteren Wegebau zur Holzabfuhr mehr geben, da Abfuhrwege zu weiteren waldschädigenden Bodenverdichtungen und Störungen des Bodenwasserhaushalts führten. Zur Schonung des Waldbodens müsse zudem die Zahl der Pflegeeingriffe und der Einsatz schwerer Forstmaschinen minimiert werden. Der Abstand zwischen den Rückegassen solle so breit wie möglich gehalten werden. Das Minimum müsse bei 40 Metern liegen.
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