Sep 232023
 

Bürgermeister*inwahl 2023

Die NABU-Ortsgruppe stellte den Bürgermeister-Kandidat*innen anlässlich der Wahl am 8.10.2023 Fragen zu Klima- und Naturschutz-relevanten Themen.

Wir haben die Antworten der drei Kandidat*innen Alexander Kreissl, Katja Ebert und Birgit Kannegießer zusammengefasst.

Unser Fragenkatalog

Wie möchten Sie lokal zur Eindämmung der Klimakrise beitragen? Wie kann unsere Gemeinde nachhaltiger werden?

Die Einhaltung des 1,5° Ziel des Pariser Klima-Abkommens ist zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen außerordentlich wichtig, aber aktuell stark gefährdet. Wo sehen Sie konkrete Potenziale den CO2 Ausstoß in der Gemeinde zu verringern? Wie kann die Gemeinde zur Verkehrs- und Energiewende beitragen?

Wie wollen Sie den fortschreitenden Flächenfraß eindämmen?

Der Flächenverbrauch durch Baumaßnahmen ist eine der größten Bedrohungen für unsere Natur und kann durch sogenannte „Ausgleichsmaßnahmen“ nicht abgemildert werden. Eine weitere Vergrößerung der Verkehrs- und Siedlungsfläche durch neue Baugebiete und Bauvorhaben im Außenbereich wäre aus Naturschutzsicht katastrophal. Als primäre Planungsinstanz haben hier die Gemeinden eine besondere Verantwortung.

Welche Maßnahmen planen Sie, um natürliche Lebensräume und Artenvielfalt in der Gemeinde und auf gemeindeeigenem Land zu fördern?

Der Verlust von Artenvielfalt schreitet rasend voran, wir beobachten in den letzten Jahren den Verlust immer weiterer Arten auf dem Gebiet unserer Gemeinden. Die Gemeinde als Grundstückseigentümer könnte die Artenvielfalt durch geeignete Pflegemaßnahmen oder bei Verpachtungen (siehe: https://www.fairpachten.org/) fördern.

Unterstützen Sie eine naturnähere Bewirtschaftung des Gemeindewaldes und wie möchten Sie dies umsetzen?

Der Wald erfüllt heute vielfältige Funktionen. Er wird als Naturraum zu Erholung geschätzt, er ist Lieferant für Holz, CO2-Speicher und Schutzraum für Tiere und Pflanzen. 

Welche Funktion(en) stehen für Sie im Vordergrund? Was möchte Sie tun, um den Wald zu unterstützen, damit er in Zeiten des Klimawandels diese Funktion(en) weiter erfüllen kann?

Welchen Stellenwert nimmt der Gemeindewald in Ihrem Waldprogramm ein?

Wie stehen Sie zur Einrichtung eines Runden Tisches Wald und der Einbeziehung externer Expertise?

Unterstützen Sie die Ausweisung von Naturwalflächen im Gemeindewald? Wenn es nach Ihnen ginge, wie viel Prozent des Gemeindewaldes würden Sie gerne der Natur überlassen? 

Halten Sie ein Moratorium für den Holzeinschlag für sinnvoll, um dem geschwächten Wald eine Erholung zu ermöglichen?

Mit dem Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ der Bundesregierung kann die Gemeinde auf einfache Weise mit dem Wald gutes Geld verdienen. Welche Anstrengungen werden Sie unternehmen, dass es zur Teilnahme an diesem Programm kommt? 

Und hier die Antworten

Wie möchten Sie lokal zur Eindämmung der Klimakrise beitragen? Wie kann unsere Gemeinde nachhaltiger werden?

Die Einhaltung des 1,5°-Ziels des Pariser Klima-Abkommens ist zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen außerordentlich wichtig, aber aktuell stark gefährdet. Wo sehen Sie konkrete Potenziale den CO2-Ausstoß in der Gemeinde zu verringern? Wie kann die Gemeinde zur Verkehrs- und Energiewende beitragen?

Alexander Kreissl

Die Gemeinde investiert u.a. bei Sanierungen und Neubauten in den Einsatz von Photovoltaik, Solarthermie, innovative Technik wie den Eisspeicher im Forum am Rathaus und energiesparende Technik und Materialien. Durch neue Pumpen im Freibad Jugenheim werden 380 Tonnen CO2 eingespart. Die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED spart jährlich 420.000 kWh Strom. Am Forum am Rathaus wird die Ladeinfrastruktur für eMobilität mitgedacht, Parkmöglichkeiten für Fahrräder und Lastenräder entstehen. Im Gemeindegebiet sind in den vergangenen Jahren 10 Ladesäulen entstanden, weitere werden bedarfsgerecht in Zusammenarbeit mit Betreibern folgen. Die Gemeinde ist Mitglied der Initiative „Lebenswerte Gemeinde“ und strebt ein umweltverträgliches Geschwindigkeitsniveau im Kfz-Verkehr u.a. mit Tempo 30 Zonen an.

Birgit Kannegiesser

Unsere Gemeinde hat verschiedene Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten, wie sie den CO2 Ausstoß in der Gemeinde verringern kann, ich zähle einige Möglicheiten beispielhaft auf:

  • Unterstützung bei der Umsetzung des Schulmobilitätskonzepts des Schuldorfs Bergstraße, weniger Elternverkehr – mehr Selbständigkeit für die Kinder
  • Optimierung des Nahverkehrs zu Schulzeiten (übervolle Linienbusse wirken abschreckend und sind im Übrigen auch gefährlich)
  • Optimierung Nahverkehr, Gespräche mit der DADINA, dem Landkreis und der Stadt Darmstadt
  • Radrouten ausweisen im Gemeindegebiet und auf dem Weg zur Schule
  • E-Mobilität fördern, z.B. durch mehr öffentliche Ladesäulen und Car-Sharing-Angebote auch in unseren „Bergdörfern“
  • Aktive Werbung für mehr PV auf den Dächern , Nutzung der Ressourcen von bestehenden Initiativen und Verbänden zu öffentlichen Kampagne
  • Versiegelungen öffentlicher Flächen rückgängig machen oder zumindest aufbrechen
  • Schwimmbadparkplatz mit Solarpaneelen ausstatten (Prüfauftrag ist gestellt)
  • Repowering der Windräder oberhalb von Ober-Beerbach
  • Öffentliche LED-Beleuchtung weiter fördern bzw. nachts drosseln (Vermeidung von Lichtverschmutzung)
  • Beratung bzgl. energetischer Sanierungen und Modernisierungen der Heizungsanlagen in den Bestandsgebäuden
  • Öffentliche Gebäude step by step energetisch sanieren
  • Waldbewirtschaftung anders denken

Katja Ebert

Klima ist ein globales Phänomen – und gleichzeitig auch ein lokales. Wir können hier einen Beitrag leisten, um das globale Klima so wenig wie möglich weiter aufzuheizen. Aber wir können auch für unser Mikroklima in der Gemeinde selbst viel tun. Beide Perspektiven müssen wir im Blick behalten. Die globale Klimaerwärmung ist für jeden von uns zu spüren und zu sehen. Unsere Wälder leiden, unsere Gärten vertrocknen in den warmen Sommermonaten ohne Bewässerung und unsere Feriendestinationen brennen oder werden überschwemmt. Und hier vor Ort muß man einfach an einem heißen Tag in den Wald oder auf das freie Feld gehen, um zu spüren, wie sehr Bäume, Schatten und Windschneisen unsere Umgebung abkühlen.

Die Erfüllung unser aller Klimaziele ist in Gefahr. Sowohl durch die lange Untätigkeit in 16 CDU-regierten Jahren in Deutschland, also auch durch die Ängste vor Veränderungen, die durch manche Medien und auch auf Social Media, häufig mit Falschinformationen, geschürt werden. Man sieht derzeit an der Ampelregierung, wie schwierig es ist, jetzt dagegen zu steuern und das Tempo bei der CO2-Reduktion zu erreichen, was nötig ist. Hier braucht es auch auf kommunaler Ebene viel Überzeugungsarbeit, aber auch schlüssige Konzepte und Partner wie den NABU. Allein über das Netzwerk der „Klimakommunen“ stehen so viele Informationen, Dokumentationen und Handreichungen zur Verfügung, die einfach nur genutzt und umgesetzt werden müßten. 

Für die Reduktion unseres CO2-Fußabdrucks als Kommune müßten wir diesen zunächst einmal kennen – auf unsere Anfrage aus 2021 diesbezüglich wurde geantwortet, dass es keine aktuellen Ermittlungen gäbe, aus drei Gründen:

  1. Durch den steigenden Anteil regenerativer Energien würde unser CO2-Fußabdruck automatisch sinken, auch ohne eigene Maßnahmen
  2. Die Kommune selbst würde nur 5% des CO2-Austosses in der Gemeinde verursachen, deshalb wären eher Gewerbe und Privathaushalte in der Pflicht
  3. Durch diese Erhebungen würden Zusatzkosten verursacht

Hier zeigt sich, dass die Grundhaltung der derzeiten Rathausspitze leider von mangelnder Verantwortung und der Tendenz geprägt ist, lieber mit dem Finger auf andere zu zeigen, also bei sich selbst anzufangen. Dies deckt sich mit den üblichen Gründen, die gern hervorgebracht werden, wenn man zwar grundsätzlich den Klimaschutz befürwortet, aber nicht bereit ist, auch selbst etwas dafür zu tun. Ein großer Gewinn für die Kommune wäre ein Klimaschutzmanager, wie er mittlerweile gang und gäbe ist. Solange dafür, wie derzeit, die Haushaltsmittel fehlen, ist die zweitbeste Option: eine Bürgermeisterin, die die Klimathemen im laufenden Verwaltungsgeschehen mitdenkt und über gute Netzwerke Lösungen findet und implementiert.

Ein wichtiger Faktor: unsere kommunalen Gebäude sollten einen größeren Beitrag zur Verringerung des CO2-Ausstoßes leisten. Durch konsequentere Nutzung von Photovoltaik, energetische Sanierungen und smarte Steuerung. Solche Investitionen finanzieren sich langfristig selbst durch Energiekosten-Einsparungen, vor allem, wenn wir alle Liegenschaften mit einem Bilanzkreismodell zusammenfassen können. Dies haben wir ebenfalls beantragt und sehen dringenden Handlungsbedarf, damit solch ein längerer Prozess rechtzeitig zur Inbetriebnahme der PV-Anlage auf dem Forum am Rathaus abgeschlossen ist. Als Klimakommune sollten wir auch die private Nutzung von PV fördern, durch Beratung, Förderung und Umsetzungs-Angebote wie die Balkonmodul-Sammelbestellung, die auf eine Initiative der Grünen zurück geht. Durch die Ausweisung eines Freiflächen-Solarparks können wir zusätzlich vor Ort nachhaltigen Strom produzieren, auf Grünflächen, die dadurch nicht versiegelt werden und weiterhin z.B. als Weide genutzt werden können. Die Ausweisung einer geeigneten Fläche haben ebenfalls wir beantragt, und vor den Sommerferien wurde ein entsprechendes Projekt als Bürgergenossenschaft durch die Energiegenossenschaften Starkenburg im Ortsbeirat in Ober-Beerbach vorgestellt. Dieses Projekt möchte ich unbedingt weiter vorantreiben und begleiten, sowohl planerisch wie auch in Hinblick auf Akzeptanz in der Bevölkerung. 

Unser Mikroklima als Gemeinde mit viel Grünflächen und relativ wenig versiegelter Fläche ist gemäßigter als in größeren Städten. Damit das so bleibt, müssen wir weiter für möglichst viel Verschattung sorgen, für naturnah begrünte Flächen und auch unsere Frischluftschneisen müssen wir erhalten. Das müssen wir auf unseren kommunalen Flächen konsequent tun, und z.B. Anträge wie den zur „Grünen Kommune“ konsequent langfristig umsetzen und dessen Zielsetzung nicht aus den Augen verlieren. Aber auch mit einer Gestaltungssatzung (nach dem Vorbild von Frankfurt), wie von uns kürzlich beantragt, können wir bei Neu- und Umbauten von Grundstücken Regeln festlegen, wie die Freiflächen zu gestalten sind, um unser Mikroklima zu schützen und unser Ortsbild zu erhalten. 

Und auch viele andere kleine Puzzlesteine, wir z.B. eine naturnahe Bepflanzung von Freiflächen auf Friedhöfen, die Nutzung von Regenwasser unserer kommunalen Gebäude oder die Förderung von Projekten wie dem der Wühlmäuse im Bereich Galgenbuche (alles Grüne Anträge) tragen in Summe zu einer Verbesserung von Mikro- und Makroklima bei. Man muß sie nur wollen und umsetzen.

Eine wichtige Frage, die wir uns auch stellen müssen, ist: Wie können wir die Folgen des Klimawandels für die Bürgerinnen und Bürger abmildern? Hier gibt es immer wieder Förderprogramme, die Geld und/oder Beratung zur Verfügung stellen, die wir bislang zu wenig nutzen. Ein Beispiel sind öffentliche Wasserspender: der Grüne Antrag dazu ist über ein Jahr alt. So lange kann es doch nicht dauern, einen zweiseitigen Förderantrag auszufüllen. 

Meine wichtigsten Maßnahmen sind deshalb:

1. Den CO2-Abdruck unserer kommunalen Liegenschaften senken

2. Die Förder- und Beratungsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen nutzen 

3. Globalen und lokalen Klimaschutz bei allen Verwaltungsentscheidungen mitdenken und bei politischen Entscheidungen entsprechende Informationen und Vorschläge vorlegen 

Wie wollen Sie den fortschreitenden Flächenfraß eindämmen?

Der Flächenverbrauch durch Baumaßnahmen ist eine der größten Bedrohungen für unsere Natur und kann durch sogenannte „Ausgleichsmaßnahmen“ nicht abgemildert werden. Eine weitere Vergrößerung der Verkehrs- und Siedlungsfläche durch neue Baugebiete und Bauvorhaben im Außenbereich wäre aus Naturschutzsicht katastrophal. Als primäre Planungsinstanz haben hier die Gemeinden eine besondere Verantwortung.

Alexander Kreissl

Die Gemeinde Seeheim-Jugenheim ist in ihrer Siedlungsfläche über den heutigen rechtlichen Stand nicht erweiterbar.

Birgit Kannegiesser

Naja, ein fortschreitender Flächenfraß ist in Seeheim-Jugenheim nicht zu erwarten, da ein Bauen im jetzigen Außenbereich durch den Regionalplan und den Flächennutzungsplan aktuell stark eingeschränkt ist.

Dennoch werde ich mich dafür stark machen, dass Gewerbeansiedlungen bei uns gefördert werden, was tatsächlich mit Neubauten einhergehen wird. Wir brauchen mehr Gewerbesteuereinnahmen für Seeheim-Jugenheim, um alle Aufgaben und Projekte erfüllen und finanzieren zu können.

Es ist jedoch auch wichtig, die Möglichkeiten der Innenverdichtung zu prüfen und zu fördern. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir durch „vertikales Wachstum“ neuen Wohnraum schaffen können, ohne zusätzliche Flächen zu beanspruchen. Es ist besonders wichtig, den Generationenwechsel hinsichtlich des Immo- bilienbesitzes genau zu beobachten und zu unterstützen. Neue Formen des Zusammenlebens, wie gemeinschaftliche Wohnprojekte oder Mehrgene- rationenhäuser, sollten aktiv gefördert werden, um den Bedarf an Wohnraum zu decken, ohne die Landschaft weiter zu belasten.

Insgesamt sollten wir eine ausgewogene Herangehensweise verfolgen, die sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch den Erhalt unserer natürlichen Umgebung berücksichtigt.

Katja Ebert

„Innenverdichtung statt Außenbebauung“ ist seit 40 Jahren das Credo der Grünen. Dafür haben wir uns immer eingesetzt, und sowohl das Gewerbegebiet in den Schenkenäckern wie auch die Wohnbebauung in der Tränk verhindert. Flächenversiegelung ist ein endliches Spiel: irgendann ist alles vollgebaut. Viele Bürgerinnen und Bürger schätzen unsere Freiflächen zur Naherholung, der Radweg vom Schuldorf zum Biergarten wäre nicht derselbe, wenn man dabei auf mehrstöckige Industriebgebäude schauen würde. Der Weg entlang des Christian-Stock-Stadions würde seinen Charme verlieren, wenn er durch ein Wohngebiet ginge. Unser Mikroklima hitzt sich weiter auf, je mehr Flächen wir versiegeln. Der Lebensraum von Tieren und Pflanzen wird weiter eingeschränkt und wertvolle Naturflächen unwiderbringlich zerstört, wenn sie einmal bebaut sind. Gewerbe mit hohem Wasserverbrauch werden unsere Wasserpreise in die Höhe treiben, wenn wir den Bedarf nicht mehr hauptsächlich aus unseren eigenen Brunnen decken können. 

Dem Wunsch vieler Bürger nach mehr Gewerbe- und Einkommenssteuer kann man auch ohne weitere Flächenversiegelung entgegen kommen. Das ist möglich durch zusätzliche Verdichtung im bereits bebauten Ortsgebiet für die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum, wie jetzt in Jugenheim auf dem HEAG-Gelände. Und durch die Fokussierung auf wissenintensives Gewerbe, das wenig Platz braucht, keine Emissionen und Verschmutzung verursacht und auch nicht innerhalb eines Großkonzerns seine Gewinne lieber in Niedrigsteuerländern verschiebt. Oder auf Modelle wie den Freiflächen-Solarpark, der temporär ist, den Boden nicht wesentlich versiegelt und als Bürgergenossenschaft Steuern und Gewinne hier vor Ort entstehen lässt. 

Flächenversiegelung lässt sich sicher auch in Zukunft nicht vollständig vermeiden. Sie sollte jedoch nur aus wichtigen Gründen oder für nachhaltige Zwecke, nach Prüfung von Alternativen und unter Beteiligung von Bevölkerung und Interessensverbänden geplant und beschlossen werden.

Welche Maßnahmen planen Sie, um natürliche Lebensräume und Artenvielfalt in der Gemeinde und auf gemeindeeigenem Land zu fördern?

Der Verlust von Artenvielfalt schreitet rasend voran, wir beobachten in den letzten Jahren den Verlust immer weiterer Arten auf dem Gebiet unserer Gemeinden. Die Gemeinde als Grundstückseigentümer könnte die Artenvielfalt durch geeignete Pflegemaßnahmen oder bei Verpachtungen (siehe: https://www.fairpachten.org/) fördern.

Alexander Kreissl

Ich setze mich dafür ein, dass im Wald von Seeheim-Jugenheim keine Windindustrieanlagen mit ihren zerstörerischen Folgen für die Natur und Tierwelt errichtet werden. Viele Hektar Wald würden gerodet werden. Viele Hektar Waldboden würden extrem verdichtet, könnten kein Wasser mehr aufnehmen. Unzählige Insekten, Vögel und Fledermäuse würden von den Rotoren erschlagen, getötet. Vor dem Hintergrund der übrigen Fragen müssen aus meiner Sicht Kandidatinnen, die sich für Windindustrieanlagen im Wald parteiideologisch offen zeigen, ihre Haltung zum Natur- und Artenschutz erklären.

Birgit Kannegiesser

Ich werde mir schnellstmöglich einen Überblick über die Flächen im Gemeindeeigentum beschaffen. Dies ist entscheidend, um gezielte Maßnahmen für den Schutz und die Förderung von natürlichen Lebensräumen planen zu können.

Ich werde mich besonders stark für die Erhaltung und den Ausbau von Streuobstwiesen einsetzen. Der Schutz alter Obstsorten ist nicht nur kulturell wertvoll, sondern auch ein Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt.

Baumpatenschaften sollen aktiv befördert werden, um gerade das Absterben junger nachgesetzter Bäume zu verhindern.

Blühstreifen auf öffentlichen Flächen und an Straßenrändern will ich fördern (in 2. Reihe). Diese Flächen bieten wichtige Nahrungsquellen für Insekten und tragen zur Erhöhung der Artenvielfalt bei.

Blühende Gärten statt Schottergärten, hierfür kann durch die Gemeinde aktiv geworben werden. Eine Kooperation mit den hier aktiven Naturschutzverbänden wäre hilfreich. Überhaupt: Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung sind das A & O auf dem Weg zur Umsetzung.

Der Gemeindewald ist auch unter dem Aspekt der Artenvielfalt neu denken und anders bewirtschaften, dazu braucht es Fachexpertise. Deshalb haben wir den runden Tisch beantragt. (siehe auch nächste Frage).

Unterschiedliche Biotope zu erhalten wie Kalksandkiefernwald, Streuobstwiesen, Bäche, Teiche etc. sind wichtige Beiträge auf diesem Weg, der NABU leistet da eine wichtige und großartige Arbeit.

Katja Ebert

Gemeindeeigenes Land ist sehr vielschichtig, von der begrünten Verkehrsinsel über Park- und Friedhofsflächen und Grünland bis hin zu unserem Wald. 

Auf selbst gepflegten Flächen in Park, Friedhöfen und im öffentlichen Raum wird in vielen Kommunen bereits auf Naturnähe, Biodiversität und Regionalität geachtet. Geeignete Konzepte sollten wir auch in Seeheim-Jugenheim nach und nach umsetzen. Aufgrund der derzeitigen Finanzlage müssen wir uns dafür an Förderprogramme anlehnen und sollten auch die Zusammenarbeit mit Vereine und Verbänden anstreben. Wir müssen, auch im Interesse unsere Mikroklimas, abgestorbene Bäume konsequenter ersetzen und Bestandsbäume fachgerecht pflegen, damit sie eine möglichst lange Lebensdauer erreichen. Wenig genutzten Rasen in Blühwiesen verwandeln, blühende Stauden und Büsche anpflanzen und gepflastere Flächen zu entsiegeln sind einfach Maßnahmen, mit denen wir nicht nur die heimische Artenvielfalt erhöhen, sondern auch teilweise in der Pflege wirtschaftlicher arbeiten können. 

Bei verpachtetem Grünland haben wir die Möglichkeit, Einfluß auf die Bewirtschaftung zu nehmen. Dies sollten wir nutzen, und sowohl auf Blühstreifen und geringen Einsatz von chemischen Schädlingsvernichtern bestehen, wie auch ein Auge darauf haben, wie die Bereiche bewirtschaftet werden, ob die Landschaftspflege dort gewährleistet ist und z.B. Tiere artgerecht gehalten werden.

Auch im privaten Umfeld wollen wir mit einer Gestaltungssatzung dafür sorgen, dass bei neuen Bauprojekten Freiflächen mit heimischen Gehölzen bepflanzt werden. Eine Baumschutzzsatzung, wie sie mittlerweile wieder hessenweit möglich ist und z.B. in Bad Soden eingeführt wurde, sollte es auch für Seeheim-Jugenheim wieder geben, jedoch gekoppelt an ein digitales Portal, mit dem die Bearbeitung von Anträgen zu einem möglichst geringen Verwaltungsaufwand führt.

Unterstützen Sie eine naturnähere Bewirtschaftung des Gemeindewaldes und wie möchten Sie dies umsetzen?

Der Wald erfüllt heute vielfältige Funktionen. Er wird als Naturraum zu Erholung geschätzt, er ist Lieferant für Holz, CO2-Speicher und Schutzraum für Tiere und Pflanzen. 

  • Welche Funktion(en) stehen für Sie im Vordergrund? Was möchte Sie tun, um den Wald zu unterstützen, damit er in Zeiten des Klimawandels diese Funktion(en) weiter erfüllen kann?
  • Welchen Stellenwert nimmt der Gemeindewald in Ihrem Waldprogramm ein?
  • Wie stehen Sie zur Einrichtung eines Runden Tisches Wald und der Einbeziehung externer Expertise?
  • Unterstützen Sie die Ausweisung von Naturwalflächen im Gemeindewald? Wenn es nach Ihnen ginge, wie viel Prozent des Gemeindewaldes würden Sie gerne der Natur überlassen? 
  • Halten Sie ein Moratorium für den Holzeinschlag für sinnvoll, um dem geschwächten Wald eine Erholung zu ermöglichen?
  • Mit dem Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ der Bundesregierung kann die Gemeinde auf einfache Weise mit dem Wald gutes Geld verdienen. Welche Anstrengungen werden Sie unternehmen, dass es zur Teilnahme an diesem Programm kommt?

 

Alexander Kreissl

Der Gemeindewald wird schon heute naturnah bewirtschaftet – dieses Ziel soll  langfristig und stetig weiter verfolgt werden. Prozesse im Wald dauern lange.

Der Wald erfüllt heute vielfältige Funktionen. Er wird als Naturraum zu Erholung geschätzt, er ist Lieferant für Holz, CO2-Speicher und Schutzraum für Tiere und Pflanzen.

Der Wald in Seeheim-Jugenheim wird als komplexes Ökosystem betrachtet. Nach Möglichkeit werden natürlich ablaufende Prozesse genutzt.

Die Bewirtschaftung orientiert sich an der natürlichen Waldgesellschaft und naturnahen Baumartenwahl bei der Verjüngung. In unserem Wald wurden seit 2018 42.500 Bäume gepflanzt.

Die Stabilität des Waldes wird durch Vielfalt und Mischung bzw. Stufigkeit in heterogene Mosaike im Wald mit verschiedenen Lichtverhältnissen gefördert.

Naturschutz erfolgt auf ganzer Fläche: 
– Belassen von Totholz im Bestand
– Markierung von Biotopbäumen 
– Ausweisung v. Naturwaldentwicklungsflächen,
– Zur Schonung des Waldbestandes wurde die Menge der Holzentnahme um rund 30% reduziert.

Welche Funktion(en) stehen für Sie im Vordergrund? Was möchte Sie tun, um den Wald zu unterstützen, damit er in Zeiten des Klimawandels diese Funktion(en) weiter erfüllen kann?

In unserem Wald wurden seit 2018 42.500 Bäume gepflanzt. Fördergelder in Höhe von rund 185.000 € gesichert.

Um die Standortbedingungen des Kalksandkiefernwaldes für seltene Tier- und Pflanzengemeinschaften zu sichern und zu fördern, ist es notwendig, die Böden und den Wald licht zu halten. Dazu werden Teilflächen seit Jahren mit Schafen und Eseln beweidet. Abgestorbene Kiefern werden gefällt und schonend mit einem Pferdegespann entnommen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie auch zukünftig naturnahe und schonende Waldbewirtschaftung erfolgen soll.

Das Forsteinrichtungswerk, die Handlungsverpflichtung zur Pflanzung und Pflege des Waldes und der Ernte von Bäumen, soll auf die klimatischen Veränderungen für den Wald angepasst werden.

Zudem ist es wichtig mit Fachleuten, Forschungsanstalten etc. im Austausch zu bleiben und sich Optionen und Möglichkeiten offen hält, da niemand (ganz genau) weiß was die Zukunft und der Klimawandel bringen.

Welchen Stellenwert nimmt der Gemeindewald in Ihrem Waldprogramm ein?

Einen sehr großen. Der Gemeindewald hat ein eigenes Kapitel.

Wie stehen Sie zur Einrichtung eines Runden Tisches Wald und der Einbeziehung externer Expertise?

Der Gemeindewald wird jährlich durch einen externen FSC Auditor überprüft. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, mit Fachleuten, Forschungsanstalten etc. im Austausch zu bleiben, um Fachexpertise als Grundlage für Entscheidungen zu nutzen. Bürgerbeteiligung über einen runden Tisch ist immer ergänzend zur Fachexpertise eine gute Idee.

Unterstützen Sie die Ausweisung von Naturwaldflächen im Gemeindewald? Wenn es nach Ihnen ginge, wie viel Prozent des Gemeindewaldes würden Sie gerne der Natur überlassen? 

Aktuell ist ein Teil der Waldfläche als Naturwaldfläche ausgewiesen. Weitere 50 Hektar sind Teil des Naturschutzgebiets „Kalksandkiefernwald“. Auf ganzer Fläche des Gemeindewaldes werden Biotopbäume ausgewiesen und markiert.

Halten Sie ein Moratorium für den Holzeinschlag für sinnvoll, um dem geschwächten Wald eine Erholung zu ermöglichen?

Im Gemeindewald wird durch den Förster genau hingeschaut. Seiner fachlichen Meinung nach ist ein pauschales Moratorium zum Holzeinschlag auf der gesamten Waldfläche nicht zielführend, da der Wald verschiedene Funktionen erfüllt.

Seit 2018 ist der Holzeinschlag um knapp 30% zurück gefahren worden. Es wurden ausschließlich absterbende bzw. abgestorbene Bäume entnommen v.a. Fichten und Kiefern. In den Buchenwäldern wurde die Holzerntemenge noch weiter reduziert. Bisher erfolgt die Holzernte nur dann wenn drei Bedingungen erfüllt werden: wenn die Holzernte ökologisch, ökonomisch und waldbaulich sinnvoll ist.

Mit dem Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ der Bundesregierung kann die Gemeinde auf einfache Weise mit dem Wald gutes Geld verdienen. Welche Anstrengungen werden Sie unternehmen, dass es zur Teilnahme an diesem Programm kommt? 

Die Gemeinde wird die Teilnahme beantragen, da sie schon heute die geforderten Fördertatbestände erfüllt. Die ist aber in geeignetem Rahmen zu diskutieren, da mit der Teilnahme auch Verpflichtung auf die kommenden 10 bis 20 Jahre verbunden sind.

Birgit Kannegiesser

Unser Wald erfüllt unterschiedliche Funktionen. Er ist nicht nur CO2-Speicher, bieten unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten ihr Lebensumfeld, er ist für uns Menschen Erholungsort, Ruhepunkt, bietet aber auch Raum für verschiedene Sport- und Bewegungsmöglichkeiten.

Das Forsteinrichtungswerk für unsere Gemeinde muss schnellstmöglich auf den Prüfstand, ein Weiter so geht im Angesicht des deutlichen Absterbens unseres Waldes nicht. Deshalb hat die SPD-Fraktion den runden Tisch beantragt (samt Besetzungsvorschlag, Arbeitsweise und Ziele). Darüber hinaus konnten wir ein Moratorium durchsetzen, d.h. aktuell dürfen in unseren gemeindlichen Wäldern nur Pflegemaßnahmen durchgeführt werden, eine Hauptnutzung, d.h. Ernte von Bäumen ist nicht möglich.

Auf den Hinweis von Yvonne Albe vom NABU haben wir umgehend das Abrufen der Fördergelder aus dem Förderprogramm KLAWAM beantragt, nachdem der Gemeindevorstand zwischenzeitlich immerhin festgestellt hatte, dass die Gemeinde Seeheim-Jugenheim alle Voraussetzungen erfüllt. Demzufolge werde ich die Umsetzung dieses Förderprogramms natürlich unterstützen.

Im Vordergrund müssen die nächsten Jahre der Walderhalt und die Anpassung des Waldes an den Klimawandel stehen; CO2 Speicherung, natürliche Klimaanlage und Lebensraum müssen die vordergründigen Funktionen sein, die gefördert werden müssen. Der Holzertrag muss dementsprechend daran angepasst werden, was unser Wald tatsächlich aushält. Austrocknung durch ein zu lichtes Kronendach sollte unbedingt vermieden werden.

Damit einher geht die Ausweisung der Flächen „Naturwald“ entlang der Förderprogramme, darüber hinaus sollten verstärkt Habitatgruppen ausgewiesen werden (Stichwort: Methusalem-Projekt).

Schließlich hinzu gehört aber auch eine Beratung darüber, wie der Gemeindewald in seiner Veränderung begleitet werden kann. Ein naturnaher „Waldumbau“ kann so das Fundament für den Wald der Zukunft werden.

Katja Ebert

Für mich ist der Schutz des Waldes mit seinen vielfältigen nicht-monetären Leistungen für die Menschen in Seeheim-Jugenheim wichtiger als seine Funktion als Holzlieferant und somit Umsatzbringer für die Gemeindefinanzen. Holz wird gern als nachwachsender Rohstoff gepriesen, nur wird meist nicht erwähnt: Er kann nicht beliebig viel produzieren und sich unserem Bedarf anpassen. Und wenn der Wald gestresst ist, wie derzeit durch den Klimawandel, müssen wir ihn pflegen und unterstützen, sich den wandelnden Bedingungen anzupassen. Da wir keinen „Wald B“ haben, müssen wir in unserer Bewirtschaftung alles daran setzen, ihn gesund zu erhalten und den klimastabilen, artenreichen Umbau untersützten. Wenn Funktionen wie 

– Abkühlung des Mikroklimas in der Gemeinde
– Naherholung und Sport
– Wasserspeicherung bei Starkregenereignissen
– Grüne Lunge von Seeheim-Jugenheim
– Sammelbecken für Quell- und Grundwasser
– CO2-Senke etc.

immer weniger erfüllt werden können, hat das für uns Menschen deutlich existentiellere Konsequenzen als wenn weniger Holz auf den Markt kommt. 

Ein Weg ist sicher die Stillegung von Waldbereichen. In der letzten Forsteinrichtung wurde eine Fläche von 6% dafür ausgewiesen. Eine leichte Erweiterung bis maximal 10 % halte ich für sinnvoll, um bestehende Kerngebiete zu erweitern oder miteinander zu verbinden. Auch die Erhöhung von Habitatbäumen pro Fläche, insbesondere um potentielle Methusalembäume, erachte ich für einen guten Weg, durch Altersdurchmischung stabilere Wälder zu schaffen. Der von unserem Revierförster angestrebte kleinteilig strukturierte Wald ist in meinen Augen ein guter Ansatz und sollte weiter verfolgt werden.

Eine Holznutzung wird auch weiterhin stattfinden, der Fokus sollte dabei auf der Pflegenutzung liegen, also der Entnahme von Bäumen z.B. zur Förderung der Artenvielfalt, zur Ermöglichung von Naturverjüngung und von stark geschädigten Bäumen, solange sie wirtschaftlich noch verwertbar sind. 

Den Runden Tisch und die Einbeziehung externer Experten haben wir aktiv mit beschlossen und uns zusammem mit der SPD für einen baldigen Start eingesetzt. Auch das Moratorium für die Hauptnutzung haben wir mehrheitlich mit getragen. Diese Entscheidungen finde ich absolut richtig, denn die Jahre mit ständigen Hitzerekorden und Dürreperioden haben unserem Wald zugesetzt. Wir sollten dieses Gremium nutzen, um Wissen in der Gemeindevertretung über Ansätze zur klimastabilen, naturnahen Waldbewirtschaftung zu schaffen und vor diesem Hintergrund viel fundierter als bisher die Leitlinien und die bald fällige Forsteinrichtung zu diskutieren und auszuarbeiten. Als Bürgermeisterin will ich diesen Prozess mit gestalten und aus der Verwaltung heraus gute Rahmenbedinungen dafür schaffen, im Anschluss daran jedoch auch sicherstellen, dass diese Richtlinien in der Praxis dann auch entsprechend umgesetzt werden.

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