Sep 042022
 

In Seeheim-Jugenheim hat die Lichtverschmutzung in Teilen der Ortschaften durch LED-Beleuchtung stark zugenommen. Bei der Umrüstung der Straßenbeleuchtung mancherorts werden zwar effizientere Technologien verwendet. Diese führen aber, sofern ihre maximale Leistung gewählt wird, zu viel zu hohen Beleuchtungswerten, die für Tiere sowie Menschen schwere Konsequenzen mit sich bringen.

Nun wurde dieses Jahr das Bundesnaturschutzgesetz um den Paragraph 41a zum Schutz von Tieren und Pflanzen vor nachteiligen Auswirkungen von Beleuchtungen erweitert. Demnach sollen Gemeinden seit dem 1. März 2022 Maßnahmen ergreifen, um neu zu errichtende und existierende Beleuchtungen von Straßen und öffentlichen Plätze so zu gestalten, dass sie keine vermeidbaren Auswirkungen für Flora, Fauna und nicht zuletzt den Mensch haben können.

Die NABU Seeheim-Jugenheim freut sich sehr darüber, dass durch die gesetzlichen Änderungen das Thema Lichtverschmutzung wieder in den Fokus der Gemeinde gerückt ist und dass demnächst ein Testlauf zur Dimmung der Nachtbeleuchtung in ausgewählten Straßen gestartet wird. Nur bemängeln wir, dass dieser Testlauf in ohnehin schwach beleuchteten Straßen stattfinden wird und dass das Prüfungsvorgehen noch nicht klar festgelegt wurde. Hoffentlich werden bei der Bürgerversammlung zur Lichtverschmutzung am 15. September (20 Uhr, Bürgerhalle) mehr Informationen zum Hintergrund und zum Vorgehen beim Testlauf geliefert werden.

Nichtdestotrotz fordert die NABU Seeheim-Jugenheim ein konsequenteres Handeln in Straßen und öffentlichen Plätze mit rekordverdächtigen Beleuchtungswerten. Auf nächtlichem Messrundgang im Juli dieses Jahres sind gleich zwei Zonen negativ aufgefallen: die Friedrich-Ebert-Straße, wo zum einen die Ortseinfahrt im Wald nachts zu hell ist und zum anderen ein Teil der Hausfassaden zu stark beleuchtet wird, und das Gebiet der Feuerwache und des Waldweihers am Schuldorf, wo um 22:53 Uhr in der Sandstraße ein Rekordwert von 150 Lux gemessen wurde (normal wären max. 7,50 Lux als Wert für die mittlere Beleuchtungsstärke).

Angemessene Handlungen wären, an den Stellen die Beleuchtung auf 50 % herunterzudimmen (was technisch machbar wäre) oder sogar nachts (von 23 bis 5 Uhr) abzuschalten. Letzteres wird für die bewaldeten Gemeindegebieten eindringlich empfohlen, um schwer überwindbare Barrieren für wandernde Nachttiere abzuschaffen. Dies würde nicht zuletzt den Energiehaushalt der Gemeinde stark entlasten.

Messpunkt Fr.-Ebert-Straße – Ortseinfahrt – GGEW Leuchtstelle 23325

Gemessen: Maximale Beleuchtungsstärke von 105 Lux – das ist weit oberhalb jeder vernünftigen Spezifikation. 15 Lux als mittlere Beleuchtungsstärke werden für die entsprechende Beleuchtungsklasse ausgewiesen.

Im Außengebiet von Ortschaften und in Waldlagen wäre es aus naturschutzfachlichen Gesichtspunkten heraus besser, wo immer möglich auf eine Beleuchtung komplett zu verzichten.

In einer Hauptstraße wie der Friedrich-Ebert-Straße könnte die Beleuchtungsklasse mit der Kommune abgesprochen werden. Es gilt an der Stelle, die Beleuchtungsintensität in Einklang mit der Verkehrsicherheit zu bringen.

Unnötige Beleuchtung in Privatgärten und auf Privatparkplätzen

Lichter im Hausgarten – das ist unnötig und für Igel und andere Kleinsäuger abschreckend. An dieser Stelle wird der Garten zusätzlich von der Straßenbeleuchtung ausgeleuchtet

Schlechtes Leuchtendesign auch an vielen Parkplätzen: hier werden rundum vor allem Fassaden und Himmel beleuchtet.

Für Tiere der Nacht ein Graus: im Garten verteilte Leuchten bis in den letzten Gartenwinkel schrecken Igel und Fledermäuse ab und sind ganz unnötig.

Parkplatzbeleuchtung – hier werden vor allem Fassaden und Himmel beleuchtet, ein ausgesprochen schlechtes Beleuchtungsdesign.

Messpunkt Fr.-Ebert-Straße – Bushaltestelle Tannenstraße – GGEW Leuchtstelle 23441

Nicht nur für Fledermäuse und Insekten, sondern auch für Menschen ist schlechte Lichtplanung ein Übel. In angrenzenden Häusern kann nur bei geschlossenen Jalousien überhaupt geschlafen werden. Gestörte Nachtruhe ist Verlust an Lebensqualität und kann gesundheitliche Störungen verursachen.

GGEW bietet die Möglichkeit, eine Störung zu melden. Damit gemeint sind vielleicht auch kaputte Leuchten – aber wir versuchen es mal mit einer Störungsmeldung, wegen Ausleuchtens eines Schlafzimmers….

An der Fassade es Hauses gegenüber vom Lichtmast wurde während des Messrundgangs ein Beleuchtungswert von 7,5 Lux festgestellt. Zwischen 22 und 6 Uhr gilt 1 Lux für Wohngebiet und Mischgebiet nach der Licht-Richtlinie LAI zum Vollzug des BImSchG. Straßenbeleuchtung wird jedoch dort als Beleuchtungsanlage explizit ausgeschlossen.

Schlechtes Lichtdesign mit Folgen: Schlafzimmer im 1. Stock gegenüber der Haltestelle werden ebenso permanent ausgeleuchtet wie angrenzende Hausgärten

Meldung einer defekten Straßenbeleuchtung – so funktioniert’s

Störungsmeldung bei GGEW

https://www.ggew.de/services/strassenbeleuchtung

Messpunkt Fr.-Ebert-Straße – Ortseinfahrt – GGEW Leuchtstelle 23325 – gemessen: 105,7 Lux – das ist weit oberhalb jeder vernünftigen Spezifikation. Leider werden hier auch Teile des angrenzenden Waldes ausgeleuchtet. Im Außengebiet von Ortschaften und in Waldlagen ist es aus naturschutzfachlichen Gesichtspunkten geboten, Lichtstärke auf das absolut notwendige Maß zu reduzieren oder wo immer möglich auf eine Beleuchtung komplett zu verzichten. Sonst sind bleibende Umweltschäden auf nachtaktive Tierarten nicht zu vermeiden. – Bitte stellen Sie dar, auf welcher Grundlage Sie die installierte Lichtleistung gewählt haben bzw. ob und wann Sie den Mangel beheben werden. Vielen Dank.

Auf die „Störungsmeldung“ vom 1.8.2022 hat das Unternehmen am 1.9. 2022 mit folgender Aussage reagiert:

Wir sind hier schon mit der Gemeinde Seeheim in Kontakt und werden die Leuchtleistung dort reduzieren.

Messpunkt neue Rettungswache – Schuldorf – Waldweiher

Negatives Lichtdesign – Beispiel, wo Licht nach Oben abgestrahlt wird.

Gegen 22:45 Uhr wurden an der Feuerwache Beleuchtungswerte von rund 55 Lux gemessen. Bei der hohen Beleuchtungsintensität, gekoppelt mit schlechtem Lichtdesign, werden unüberwindbare Barrieren für Nachttiere wie Fledermäuse geschaffen. Durch nicht abgeschirmte LED-Leuchten wird ein großer Teil des Lichtstroms in den Nachthimmel emittiert.

Eine der Teststraßen in Seeheim – sehr unregelmäßig ausgeleuchtet, was die Straßen für einen Test der „gefühlten Helligkeit“ eher ungeeignet macht.

„Testlauf“ zur Dimmung

Auf Antrag der SPD-Fraktion hat die Gemeindevertretung von Seeheim-Jugenheim beschlossen, in Versuchsstraßen eine Verringerung der Beleuchtungsstärke

  • Im Waldwinkel und Im Weihereck von 100% auf 25% der Beleuchtungsstärke
  • Auf der Letteilung und Akazienweg von 100% auf 50% der Beleuchtungsstärke

vorzunehmen. Das heißt, dass irgendwann zwischen Mitte Oktober bis Mitte Dezember 2022 die Leuchten im besagten Viertel testweise gedimmt werden. Der Antrag lautet „Prüfung der Helligkeit der LED-Straßenbeleuchtung“. Es erschließt sich nicht, was hier geprüft wird – denn ganz offensichtlich wird hier nichts gemessen. Höchstens subjektive Eindrücke könnten gesammelt werden in dem von GGEW vorgeschlagenen Testareal. Genau dafür aber sind nicht alle der ausgewählten Straßen geeignet, denn sie sind unregelmäßig und in großen Abständen ausgeleuchtet – weit entfernt von einer optimalen Beleuchtungssituation. Denn nicht nur die absolute Helligkeit bestimmt den Lichteindruck und das damit verbundene Sicherheitsgefühl, sondern auch Gleichmäßigkeit der Ausleuchtung und die Vermeidung von bedrohlich wirkende Schattenecken. Andererseits sind die Straßen typische Installationen verbaut: hier wurden Standardanlagen verbaut und wie überall sonst in Seeheim werden Hausfassaden und Vorgärten unnötig in Licht getaucht.

Die Auswirkungen des Versuchs auf die Lichtsituation in Seeheim-Jugenheim sind natürlich minimal. Etwa 20 von insgesamt 1716 Leuchten sind vom Test betroffen, das heißt immerhin 1% der installierten Leuchtkapazität werden dann weniger elektrische Energie beziehen.

Es ist zu begrüßen, dass es zum Thema eine Bürgerversammlung geben wird.

Weiterführende Links

Hessisches Netzwerk gegen Lichtverschmutzung:

www.lichtverschmutzung-hessen.de

Hessisches Umweltministerium:

https://biologischevielfalt.hessen.de/files/content/downloads/lichtverschmutzung/HMUKLV_Broschuere_Nachhaltige_Aussenbeleuchtung.pdf

Planungshilfen aus der Rhön:

https://www.biosphaerenreservat-rhoen.de/fileadmin/media/fotos/antje/Sternenpark/PDF/Planungshilfe_Oeffentliche-Strassen-Parkplaetze_Sternenpark_Rhoen.pdf

https://www.biosphaerenreservat-rhoen.de/fileadmin/media/fotos/antje/Sternenpark/PDF/Planungshilfe_Gewerbe-und-Industrie_Sternenpark_Rhoen.pdf

https://www.biosphaerenreservat-rhoen.de/fileadmin/media/fotos/antje/Sternenpark/PDF/Planungshilfe_Sportstaetten_Sternenpark_Rhoen.pdf

https://www.biosphaerenreservat-rhoen.de/fileadmin/media/fotos/antje/Sternenpark/PDF/Planungshilfe_Haus-und-Garten_Sternenpark_Rhoen.pdf

https://www.biosphaerenreservat-rhoen.de/fileadmin/media/publikationen/pdf/handlungsempfehlung_kirchen_denkmaeler.pdf

https://www.biosphaerenreservat-rhoen.de/fileadmin/media/Downloads_-_PDF/Projekte/Muster_kommunale_Lichtleitlinie_und_Beschlussvorlage.pdf

Bundesamt für Naturschutz:  Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen:

https://www.bfn.de/sites/default/files/BfN/service/Dokumente/skripten/skript543_4_aufl.pdf

IDUR Schnellbrief – Der Schutz der Nacht als Pflichtaufgabe

https://idur.de/wp-content/uploads/2021/12/IDUR-Sonderdruck-Lichtverschmutzung-12.2021.pdf

Regierungspräsidium Darmstadt „Vorsorge gegen störende Lichtquellen“

https://rp-darmstadt.hessen.de/umwelt-und-energie/laerm-luft-strahlen/licht

Lichtleitlinien (Beispiel Biebergemünd):

https://www.biebergemuend.de/seite/de/spessart/4881/-/Lichtverschmutzung_vermeiden.html

Stadt Hamburg (sehr interessant u.a. Kapitel 7. DIN- und EN-Normen)

https://www.hamburg.de/contentblob/15225428/dd5450ab944f7d0b884f1d9bb1687cd7/data/download-licht-naturschutz-arbeitshilfe.pdf

Kommunale Förderrichtlinie „2.1 Sanierung von Außen- und Straßenbeleuchtung (Nummer 4.2.1 KRL)“

https://www.klimaschutz.de/sites/default/files/mediathek/dokumente/2022_NKI_Kommunalrichtlinie_Technischer-Annex_1.pdf

Kontakt – AG Lichtverschmutzung beim NABU

Tiphaine – ag-lichtverschmutzung@nabu-seeheim.de

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