Mrz 292021
 
Riesige Flächen von Ackerland und Weideflächen sollen im Norden Darmstadts Gewerbe- und Wohngebieten weichen.

Die Stadt Darmstadt hat in ihrem Masterplan DA 2030+ die Gebiete Arheilgen-West und Wixhausen-Ost als potenzielle Flächen für Gewerbegebiete ausgewiesen. Die Begründung, damit eine klare Stadtkante zu schaffen, erscheint nichtssagend. Bisher werden die genannten Flächen weitgehend landwirtschaftlich genutzt und sind damit auch für die Vogelwelt noch lebendig. Gegen die Bebauungspläne regt sich zunehmender Widerspruch. Landwirte fürchten um ihre Existenz, Naturschützer um die gefährdeten Brutgebiete von Kiebitz, Feldlerche und weiteren Vögeln. Es ist nicht zu verstehen, was an diesen Vorhaben ökologisch oder klimaneutral sein soll. Wir empfehlen allen dem Naturschutz verbundenen Darmstädtern daher die Unterzeichnung einer Petition, die sich gegen diese Pläne ausspricht:

Petition gegen die Bebauungspläne in Arheiligen-West und Wixhausen-Ost

Luftbild von landwirtschaftlich genutzten Flächen südöstlich von Wixhausen – wertvolles Ackerland soll künftig Gewerbeflächen weichen

Ungebremster Flächenfraß im Norden von Darmstadt

Die Ortsgrenzen verschieben sich Stück für Stück ins Außengebiet, die alten Ortskerne verschmelzen zu einer einzigen Siedlungsmasse. Zusammen mit den Naturräumen verschwinden Abkühlungsflächen für das zunehmend heiße Stadtinnenklima in den künftigen Hitzesommern und mit ihnen irreversibel Optionen für einen klimagerechten Umbau der Stadt Darmstadt.

Mit dem Bau von Gewerbegebieten auf der grünen Wiese werden riesige Mengen CO2 freigesetzt und mit dem Betrieb der Anlagen und Infrastruktur kommen immer weitere Mengen zum CO2-Fußabdruck des Menschen hinzu. Bauten im Außengebiet sollten nur noch genehmigt werden, wenn sie nachweislich zur Lösung der Klimakrise beitragen. Windkraftanlagen und Infrastruktur für die Eisenbahn sind hier als gute Beispiele nennen.


Naturschutz und Klimaziele gehören zusammen

Grünland und Äcker in Wixhausen-Ost

Naturschutz und Maßnahmen gegen den Klimawandel lassen sich heute nicht mehr als unterschiedliche Aufgaben begreifen. Die Erderwärmung verändert die Lebensbedingungen für Mensch, Tier- und Pflanzenwelt auch in unserer Region. Ihre Folgen sind noch nicht annähernd abzusehen. In Darmstadt und Umgebung sind es vor allem die zunehmenden Trockenphasen und außergewöhnlichen Wetterereignisse, die sich negativ bemerkbar machen. Mit zunehmender Versiegelung, wie sie zwangsläufig mit weiterer Bebauung verbunden ist, wird Natur zerstört und den Klimazielen entgegengewirkt. Hingegen helfen Ackerland und Grünland bei der CO2-Bindung, sofern Gülle und Stickstoffdünger reduziert werden. Regenwasser gelangt in die Böden und fördert auch die Grundwasserbildung, anstatt durch Kläranlagen in die Flüsse geleitet zu werden. Hitzeperioden werden abgemildert, während Gebäude Wärme auch noch in Sommernächten abstrahlen. Hinzu kommen die Auswirkungen von mehr Verkehr und andere Emissionen.

Nachhaltige Zerstörung einer besonderen Vogelwelt

Feldlerche – letzte Brutvorkommen im Südosten von Wixhausen

Trotz der Nähe der Ortsteile Wixhausen und Arheilgen haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass die bewirtschafteten Wiesen und Äcker für viele Vögel noch attraktiv sind. Dies wissen wir aus gesammelten Daten ehrenamtlicher Beobachter/innen. In jedem Jahr tauchen die Kiebitze zwischen Wixhausen und Arheilgen auf, welche auf den Flächen nach Brutplätzen suchen. Feldlerchen brüten regelmäßig erfolgreich. Beide Arten stehen auf der Liste der gefährdeten Vogelarten und sind auch in diesem Frühjahr wieder vor Ort. Nachtigallen, verschiedene Grasmücken-, Finken- und Meisenarten brüten regelmäßig in den Gebieten.

Rauchschwalben und Rotmilane besuchen sie, um zu jagen. Nur für kurze Zeit dürfte der Kuckuck auffallen, der seine Eier den Rohrsängern im Schilf in die Nester legt. Bei einer einmaligen gezielten Begehung wurden außerdem mehrere Steinkäuze ermittelt. Die meisten dieser Arten würden durch die Bebauung für immer vertrieben. Da ihre Lebensräume generell abnehmen, ist ein Ausgleich eine Illusion.

Weitgehend tote Räume für die Natur in Gewerbegebieten

Wenn Herr Partsch in seiner Funktion als OB im Darmstädter Echo darauf hinweist, dass alles rechtskonform nach dem Baugesetzbuch (BauGB) abgewickelt werden soll, unterschlägt er, dass dieses Gesetz dem Schutz der Natur und den Klimazielen kaum verpflichtet ist. Die Erfahrungen mit der Umweltverträglichkeitsprüfung und den Ersatzmaßnahmen für die Natur sind oftmals frustrierend. In jedem Fall verringert sich die Fläche, welche der Natur zur Verfügung steht. Die Menge der Eingriffe und deren Folgen lassen sich kaum effektiv kontrollieren. Gewerbebetriebe versiegeln oft aus Kostengründen durch ihre eingeschossige Bauweise und großzügige Parkplätze erhebliche Flächen. Auch wenn diese zeitweise nicht gebraucht werden, sind sie für die Natur verloren.

Kiebitz auf Folienacker im hessischen Ried – ein Symbolbild für die zunehmende Belastung der Natur durch die Intensivierung in der Agrarlandschaft. Die Versiegelung mit Beton statt Folien könnte im Norden Darmstadts das Ende des früher so häufigen Feldvogels besiegeln.

Natürlich sind wir uns bewusst, dass der aktuelle Trend, immer mehr Plastikfolie auf den Feldern zu verteilen und zusätzlich Folientunnel in die Landschaft zu setzen, dem Lebensraum auch nicht zuträglich ist. Doch Folien lassen sich kurzfristig abbauen, während die Bebauung zumindest für Jahrzehnte den Naturraum besetzen.

Trend zu regionalen Produkten fördern

Protest der Landwirte gegen die Pläne der Stadt

Erkennbar ist, dass Verbraucher/innen immer positiver gegenüber regionalen Produkten eingestellt sind. Der Direktverkauf ist ebenfalls im Trend. Damit werden Transporte verringert und die Klimaziele unterstützt. Bei frischen Lebensmitteln ist damit auch noch eine Qualitätsverbesserung verbunden. Die Landwirtschaft am Rande der Stadt bringt auch hier ökologische Vorteile, die uns wichtig sein sollten. Den Hinweis des Oberbürgermeisters, dass Enteignungen landwirtschaftlicher Grundstücke nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen, kann von den Landwirten nur als Drohung verstanden werden.

Fraglicher Bedarf an Flächen für Gewerbe

Offene Landschaft südöstlich Wixhausens

Boden wird in Deutschland zunehmend ein knappes Gut. Er lässt sich nicht beliebig vermehren und Grundbesitz wird daher immer mehr zum Spekulationsobjekt, besonders in Ballungsgebieten. Die Ergebnisse von Bedarfsstudien dürfen wir deshalb generell mit Skepsis betrachten. Für die Konversionsflächen, also die ehemals militärisch genutzten Flächen in Darmstadt sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. Welche Absicht zwingt den Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung dann aber zu weiteren Bebauungsplänen? Derzeit werden zudem Szenarien für die Zukunft unserer Wirtschaft in Zeiten nach Covid erörtert. Frühere Prognosen sind heute in Frage zu stellen. Niemand kann vorhersagen, wie sich der Immobilienmarkt durch Pleiten, Homeoffice oder Digitalisierung verändern wird. Gerade mit der Digitalisierung wird es immer weniger erforderlich, Betriebe in Ballungsgebieten zu konzentrieren. Eine Zunahme des Leerstands von gewerblichen Gebäuden ist zu erwarten.

Resümee

Die Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen im Darmstädter Norden ist im Hinblick auf den Klimawandel und auch aus Sicht des Naturschutzes abzulehnen. Die Pläne folgen der Strategie des „Weiter- wie-bisher“ in der Versiegelung unserer Landschaft. Sie sind keine Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels. Für den Naturschutz wäre der Verzicht auf die Bebauung noch kein großer Erfolg bei der Verbesserung des landwirtschaftlichen Lebensraums im Darmstädter Norden, aber wenigstens die Abwehr einer erheblichen, nachhaltigen Verschlechterung.

Bitte unterschreiben Sie deshalb die Petition gegen die Bebauungspläne in Arheiligen-West und Wixhausen-Ost

Wieviel Naturschönheit sind wir bereit zu opfern für eine Wachstumsillusion?

Landschaftsaufnahmen aus dem Bereich südöstlich Wixhausen – all diese Naturschönheit würde unwiederbringlich unter Beton und Asphalt verschwinden.

Vogelart201620172018201920202021
Kornweihe1
Braunkehlchen22
Kiebitz713
Raubwürger3
Baumpieper1
Bluthänfling1113
Feldlerche1488733
Feldschwirl1
Mehlschwalbe212
Rauchschwalbe128222
Rohrdommel
Star821324
Feldsperling1
Gartenrotschwanz22
Goldammer11
Haussperling11321x
Kuckuck5111
Pirol2
Rotmilan123342
Tabelle: Beobachtungsmeldungen ausgewählter Vogelarten in Artendatenbank im Gebiet Wixhausen-RL

Kommentarfunktion geschlossen

NABU Menu