Der Dornfinger (Cheiracanthium punctorium)
Die Spinne, die auch Ammen-Dornfinger genannt wird, gehört zu den Sackspinnen. Nachts geht die Spinne aktiv auf Nahrungssuche und verbringt den Tag in einem Gespinstsack.
Der Dornfinger erreicht als Männchen 8-12 mm und als Weibchen 10-16 mm Körperlänge (ohne Beine). Das Aussehen von Männchen und Weibchen kann den nachfolgenden Fotos entnommen werden. Die Art ist einjährig. Ausgewachsene, geschlechtsreife Männchen und Weibchen können von Juli bis einschließlich September und Oktober gefunden werden.
Der Namenszusatz „Ammen” bezeichnet die Eigenschaft der Weibchen ihre Jungen bis zur Selbstaufgabe zu umsorgen und zu verteidigen. Der Name Dornfinger bezieht sich auf den dornartigen Fortsatz der männlichen Taster (Pedipalpen), der männlichen Geschlechtsorgane.
Vorkommen und Lebensraum
In Mitteleuropa ausschließlich nur in wärmebegünstigten oder vom Kontinentalklima beeinflussten
Gebieten, z. B. im Oberrheintal oder in Brandenburg. Auf extensiv genutzten Wiesen und
Steppenrasen, besonders gern auf sandigem Ödland die mit Land-Reitgras bewachsen sind.
Der Ammen-Dornfinger baut taubeneigrosse, weiße Gespinstsäcke, in der Regel 30 – 50 cm über dem
Boden.
Gespinstsäcke des Dornfingers (Cheiracanthium punctorium), links ein kleineres Ruhegespinst, meist mit ein bis zwei Öffnungen und rechts ein größeres Brutgespinst gebaut mit Land-Reitgras. Gerne werden auch Blütenstände von Gräsern, Farnen oder wie im linken Foto zu sehen, Blütenstände von Johanniskraut angenommen
Fortpflanzung
Im Juli spinnen geschlechtsreife Männchen direkt an die Ruhegespinste subadulter Weibchen das eigene Ruhegespinst. Nach der letzten Häutung des Weibchens durchbricht das Männchen die Zwischenwand und paart sich mit dem Weibchen. Kurz nach der Paarung sterben die Männchen. Mitte bis Ende August baut das Weibchen das sogenannte Brutgespinst. Es ist meist völlig geschlossen. Der Eikokon wird an der Innenseite des Brutgespinsst fixiert. Der Kokon kann zwischen 80 und 280 Eiern enthalten.
Das Weibchen hält sich von der Eiablage bis zur Abwanderung der Jungspinnen so gut wie
ausschließlich im Brutgespinst auf und bewacht dieses.
Bei Bedrohungen reagiert das Weibchen aggressiv mit weit geöffneten Cheliceren und versucht
sofort zu beißen.
Im Oktober, spätestens aber Anfang November reißen die Weibchen das Gespinst auf, um die
Jungspinnen freizulassen. Die Weibchen bleiben im Gespinst und sterben dort. Die Jungspinnen
überwintern in Bodennähe in kleinen eigenen Gespinsten. Der Dornfinger ist einjährig.
Giftwirkung
Neben der Wasserspinne (Argyroneta aquatica) ist der Dornfinger eine der wenigen Spinnenarten, die beim Menschen zu relevanten Vergiftungserscheinungen führt. Männchen sowie Weibchen können mit den langen sehr kräftig ausgebildeten Chelicerenklauen mühelos die menschliche Haut durchdringen. Die Giftwirkung kann sehr unterschiedlich ausfallen.
Bei Bissen in die Finger treten innerhalb von Minuten oder einigen Stunden fast immer Schmerzen und Druckempfindlichkeit in den Lymphknoten der Achselhöhlen auf. Es kann von Symptomen ähnlich einem Bienenstich hin bis zu stark brennenden Schmerzen, später verbunden auch mit leichten Lähmungserscheinungen, Schüttelfrost, Schwindel, Erbrechen und Fieber ausgegangen werden. Die Symptome klingen nach einigen Tagen, manchmal auch erst nach zwei Wochen ab.
Karte oben: Verbreitungsgebiet des Dornfingers auf der Leitungstrasse. Eingezeichnete Fundstellen (Koordinaten):
49.998333, 8.517119
50.000693, 8.516052
50.005311, 8.513848
49.994087, 8.518846
Verbreitung
Der Dornfinger ist auf dem Gelände des FFH Gebiets Heidelandschaft (Amprion Leitungstrasse) verbreitet. Die Leitungstrasse ist ein 190 Meter breiter und 4,5 Kilometer langer offener Heidelandstreifen mit Sanddünen, großen Land-Reitgrasbeständen sowie verstreut liegender Tümpel auf der eine Hochspannungsleitung verläuft.
Das direkt angrenzende Naturschutzgebiet Mönchbruch südlich der Leitungstrasse und der Startbahn West bis zur B 486 ist das zweitgrößte Naturschutzgebiet in Hessen.
Schutz
Der Dornfinger ist nach der Roten Liste in Deutschland gefährdet.
Der gesichtete Bestand an den beiden Fundstellen war 2016 und 2017 relativ konstant, seit 2018 ist der Bestand rückläufig.
Die Mahd auf dem Gelände des FFH Gebiets Heidelandschaft findet meist bereits Ende August statt. Für die zu diesem Zeitpunkt noch im Land-Reitgras hängenden Brutgespinste der Weibchen ist dies leider viel zu früh! Die Brutgespinste werden bei der Mahd zerstört.
Erst im Oktober, spätestens aber Anfang November reißen die Weibchen das Gespinst auf, um die Jungspinnen freizulassen! Zwischen den Standfüßen der Hochspannungsmaste wird nicht gemäht. Hier bieten sich den Brutgespinsten des Dornfingers gewisse Überlebenschancen.
Der Maßnahmenplan des Biotopmanagements der Oberen Naturschutzbehörde (Regierungspräsidium Darmstadt) berücksichtigt bisher keine Pflegemaßnahmen im Hinblick auf den Schutz von Spinnen. Ich bin in Kontakt mit der Oberen Naturschutzbehörde. Der Maßnahmenplan sollte entsprechend hinsichtlich des Schutzes von Spinnen, insbesondere des Dornfingers angepasst werden.
Rainer Stürz (Landschaftspflegehof Stürz) möchte mit mir ein entsprechendes Schutzkonzept in den nächsten Monaten erstellen.
Hier sehen Sie weitere Spinnenfotos des Naturfotografen Thomas Kuhn: http://visions-of-earth.net/work/spider/
Copyright-Vermerk: Text und Fotos von © Thomas Kuhn
Kamera: NIKON D3 mit AF-S NIKKOR 105 mm VR ED, teilweise mit Nikon Makro Blitz Kit R1 (SU 800 + 2 x SB R200)
Quellennachweis:
• Heiko Bellmann: Der Kosmos Spinnenführer. Taschenbuch. 2. Aufl. Kosmos Stuttgart 2016
• Heiko Bellmann: Kosmos Atlas Spinnentiere Europas. 3. Aufl. Kosmos Stuttgart 2006
• Die schönsten Spinnen Europas – nach Farbfotos erkannt. 5. Aufl. Fauna Verlag 1997
•Leben am seidenen Faden / Ernst Kullmann u. Horst Stern, Kindler Verlag GmbH, München 1981
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