Naturschützer beklagen die Vernichtung des Lebensraumes und das lokale Aussterben von streng geschützten Tierarten. Naturschutzgesetze erweisen sich als unwirksam, die Krise der Artenvielfalt auch nur zu bremsen.
Die Sandwiese wird eingegrenzt von der Autobahnraststätte Alsbach-West an der A5 im Westen, dem Gemeindewald Alsbach im Süden und dem Gewerbegebiet Sandwiese im Osten. Die vorwiegend landwirtschaftlich – insbesondere für den Spargelanbau – genutzten Flächen waren lange Zeit Rückzugsgebiet von Arten der offenen Feldflur wie der Feldlerche und der Kreuzkröte, dienten aber auch als Erholungsraum für Bewohner der angrenzenden Gemeinden.
Mit der weiteren Intensivierung der Landwirtschaft durch eine Zwingenberger Firma werden aktuell großflächig Folienzelte errichtet. Damit lassen auch die bisher offenen Feldfluren zwischen den bestehenden Siedlungsgebieten an der Bergstraße und im Ried keinen Raum mehr für Natur. Gleich daneben wurde das Gewerbegebiet erneut mit dem Bau einer großen Halle erweitert – der klassischen Salamitaktik folgend, immer nur um ein kleines Stück alle fünf Jahre – so werden eigentlich notwendige Umweltgutachten umgangen und akkumulative Effekte weggerechnet. Im konkreten Fall gehen also der Flächenfraß durch Gewerbegebiete und der Ausbau der mit Folien versiegelten Flächen Hand in Hand, ein Desaster für den Naturraum Sandwiese.
Zerstörung von Nestern der Feldlerche und Vernichtung von Laichplätzen der Kreuzkröte
Im März 2021 wurden von erfahrenen Ornithologen des NABU 5 Brutplätze der Feldlerche im Gebiet der Sandwiese nachgewiesen. Mit dem Beginn der Bauarbeiten an den Gewächshäusern wurden diese Nester nachweislich im April 2021 zerstört – ein klarer Verstoss gegen Naturschutzgesetze.
Schon 2014 hatte der NABU Sorgen wegen der Erweiterung des Gewerbegebiets und der akuten Gefährdung der Kreuzkröte. Mit der aktuellen Versiegelung der gesamten Fläche, kann es keine Zweifel mehr daran geben, dass hier der Lebensraum für Kreuzkröte und Feldlerche final vernichtet wurde.
Naturschützern beobachten hier den schmerzlichen Verlust weitere wichtiger Zeigerarten für eine funktionierende Ökosysteme. Das Verschwinden wichtiger Arten der Feldflur ist ja nur ein Indikator für eine desaströse Entwicklung des Zusammenbruchs komplexer Lebensgemeinschaften von Ackerwildkräutern und den dazu gehörenden Bodenlebewesen, Insekten, Vögeln und Amphibien.
Die flächendeckenden Folieneinsatz ist nur die letzte Eskalation der Intensivierung, die auch noch den letzten Winkel unserer Lebensumwelt erreicht. Nicht zuletzt wird hier die Lebensqualität nicht nur von Tieren und Vögeln eingeschränkt- deutlich leidet auch die Lebensqualität der Menschen: wirklich niemand fühlt sich in einer von Plastik, Stahl und Beton dominierten Landschaft wohl. Die Auswirkungen der Umweltzerstörung durch Überbauung auf die menschliche Gesundheit sind gut nachgewiesen.
Die Naturzerstörung geht weiter
Schwächen des gesetzlicher Naturschutzes
Der heute gesetzlich umsetzbare „Naturschutz“ kann Menschen effektiv aussperren aus Naturschutzgebieten zum Beispiel mit Betretungsverboten oder hindert Menschen am Kennenlernen der Natur mit absurden bürokratischen Hindernissen, um zum Beispiel Umwelt-Kindergruppen Amphibien zeigen zu können. Die nachweislich größten bleibenden Umweltschäden werden jedoch durch die heute praktizierte hoch intensive Land- und Forstwirtschaft verursacht, einschliesslich der lokalen Ausrottung weiterer Tierarten und klimaschädigender Eingriffen, wie gerade in der Sandwiese demonstriert wird.
Der sogenannte „Gute Erhaltungszustand“ und die sogenannte „gute landwirtschaftliche Praxis“ – wie man Naturschutzgesetze mit Ausnahmeregelungen faktisch aushebelt
Mit dem Argument des „guten Erhaltungszustandes“ – irgendwo in Deutschland wird sich noch eine stabile Population von Kiebitz oder Feldlerche finden- können Baumaßnahmen im Aussengebiet genehmigt werden, selbst wenn sie direkt nachweisbar zum konkreten Erlöschen einer lokalen Art führen.
Das zählt nicht im Falle der Kreuzkröte – die ist Deutschland-weit inzwischen in so desolatem Zustand („negativer Erhaltungszustand“), dass ein Baugebiet wohl nicht ohne strenge Auflagen genehmigungsfähig wäre. Jedoch: Dank „guter landwirtschaftliche Praxis“ der Landwirte sind diese Genehmigungsverfahren noch nicht einmal notwendig, um quadratkilometergroße Foliengewächshäuser zu errichten. Gerade „temporäre“ Bauten im Außengebiet, die in ihren Auswirkungen in Bezug auf Versiegelung und Verdrängung faktisch aller Ackerwildpflanzen, Vögel und Amphibien selbst für den Laien sichtbar dramatische Auswirkungen haben – häufig weitaus schlimmer als die „normalen“ Gewerbegebiete – sind praktisch genehmigungsfrei errichtbar. Im Zweifel genügt es schon, die Folien einmal im Jahr an ein paar Tagen zu entfernen- schon ist der Nachweis für nur zeitweilige Versiegelung erbracht.
Die sogenannte „gute landwirtschaftliche Praxis“ oder „gute forstwirtschaftliche Praxis“ dienen als pauschale Ausrede für zweifelhafte Privilegien von Land und Forstwirtschaft, die normalen Bürgern aus guten naturschutzfachlichen Gründen verweht werden.
Forderung des NABU
Baumaßnahmen im Aussengebiet wie Hallen für landwirtschaftliche Zwecke, Gewächshäuser und Folienzelte müssen in Anbetracht der Klimakrise und der Krise der Artenvielfalt neu bewertet werden: Ausnahmetatbestände wie „gute landwirtschaftliche Praxis“ führen nachweislich zu bleibenden Umweltschäden und schränken die Optionen von künftigem Klima-Management ein. Daher sind Umweltgutachten und folgend nachweislich wirksame Ausgleichsmaßnahmen für jede großflächige Baumaßnahmen im Außengebiet zwingende Genehmigungsvoraussetzung. In bestimmten Gebieten mit kritischen Restbeständen von Arten wie dem Kiebitz muss künftig die Errichtung von Foliengewächshäusern vollkommen unterbleiben.
Gibt es Hoffnung für die Kreuzkröte in der Sandwiese?
Ja, die gäbe es. Es liegen fertige Konzepte für Ausgleichsmaßnahmen bereit, die zum Beispiel mit maßvollen Nutzungseinschränkungen auf Teilflächen mit gezielten Massnahmen Überleben und Reproduktion von Amphibien sicherstellen. So können auf Spargelfeldern spezielle Teilflächen von der Nutzung und zeitweilig von Befahrung ausgenommen werden, gegebenenfalls muss hier künstlich gewässert werden, um günstige Laichgelegenheit zu bieten. Gerade im Ried wird mit viel künstlicher Beregnung intensiv und mit hohen Gewinnmargen Gemüse und insbesondere Spargel produziert- da sollte auch etwas Wasser für den durch den Spargelanbau unter Folie gefährdeten Krötennachwuchs zur Verfügung stehen.
Ein solches Modell der Integration von Umweltschutz in den Betriebsablauf wird erfolgreich unter anderem in einigen Steinbrüchen umgesetzt. Das Verfahren könnte mit Beratung des NABU und der zuständigen Umweltbehörden zeitnah aufgesetzt werden – wenn der politische Wille dafür vorhanden ist.
Generell gibt es eine 10% Regel: 10 % des landwirtschaftlich genutzten Landes sollten der Natur zur Verfügung stehen- dann haben Ackerwildkräuter, Vögel und Amphibien der Agrarlandschaft eine gute Chance, langfristig zu überleben.
Foto: NAJU-Gruppe Seeheim dokumentiert dramatische Flächenverluste –> separater Artikel NAJU
Rettungsaktionen durch NABU für die Kreuzkröte 2014 im Gebiet Sandwiese bei Alsbach
NAJUs dokumentieren die Zerstörung eines Naturraumes
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