Mit dem geplanten Bauprojekt Quartier 22, betrieben im Rahmen des Projektes Frankfurter Bogen, werden die Probleme der zunehmenden Zersiedlung von Frankfurt ins Umland getragen. Die Siedlungskette an der Bergstraße verliert immer mehr ihren einmaligen Charakter einer Kulturlandschaft mit einem grünen Band an Obstanlagen und Weingärten.
Lückenschluss zwischen Alsbach und Sandwiese durch geplante Bebauung Quartier 22
Noch umschließt ein mindestens 250 Meter breites, grünes Band von Acker- und Grünland den alten Ortskern von Alsbach. Aber die Siedlungen wachsen weiter aufeinander zu, drohen unaufhaltsam zu einer einzigen Siedlungsmasse zu verschmelzen. Die notwendigen Korridore für Frischluft, aber auch für den Artenaustausch, werden blockiert.
Vor wenigen Jahren konnte mit dem Stopp des Bauprojektes „Im Kiessling“ gerade noch verhindert werden, dass das wunderbare Schöntal zugebaut wird. Verhindert durch heftige Bürgerproteste, die auch zur Wahl des heutigen Bürgermeisters von Alsbach-Hähnlein beigetragen haben dürften. Jetzt wird – keine 500 Meter entfernt – ein kompletter Lückenschluss mit einer permanenten Versiegelung auf mehr als 40.000 qm Fläche betrieben. Vom selben Bürgermeister, der vor wenigen Jahren die Forderung nach dem Erhalt einer Frischluftschneise im Schöntal unterstützt hat.
Karte: Bebauung – die Ortskerne verschmelzen – fatale Auswirkungen auf Klima und Artenvielfalt befürchtet
Dunkelrot markiert: geplante Versiegelungsfläche
Eine detaillierte Klimafunktionskarte mit Untersuchung der Auswirkung heutiger und künftiger Bebauung liegt nicht vor. Sie wurde zwar einstimmig im Gemeindeparlament Alsbach-Hähnlein beschlossen, ihr Sinn aber wird konterkariert durch die Ausweisung von weiteren Baugebieten, ohne diese Analyse auch nur abzuwarten. Damit nimmt sich die Gemeinde ohne Not wichtige Möglichkeiten, die Auswirkungen der Klimakrise in ihrem Gebiet unter Kontrolle zu behalten. Eine Bauplanung ohne Untersuchung der Auswirkungen kann irreparable Schäden verursachen.
Zur Erinnerung auch an dieser Stelle: 1/3 der globalen Emissionen kommen aus dem Bausektor. Jede neue Bebauung erzeugt nicht nur bei Errichtung, sondern permanent weitere Emissionen von CO2 und verschärft die Problematik der Klimakrise. Im konkreten Fall verstärkt durch einen vermutlich stark negativen Effekt auf das lokale Klima und die notwendige Frischluftzufuhr.
Die Forderung nach einem Baustopp im Außenbereich und ökologischem Bauen im Innenbereich ist kein Befindlichkeitsgetue von Ökospinnern, sondern folgt der Erkenntnis, dass die CO2-Bilanz und der Ressourcenverbrauch durch grassierende Bauwut in ihrer derzeitigen Form etwas ist, was uns an die planetaren Grenzen bringt. Wir brauchen hier Lösungen, die nur durch Abwägungen und sachliche Diskussionen zu finden sind.
Nach einstimmigen Beschlüssen der Gemeindeversammlung im Januar 2020 beteiligte sich die Gemeinde am Projekt „Großer Frankfurter Bogen“ und verabschiedete einen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsaktionsplan (KNP). Noch in der Sitzung am 8.12.2020 trat die Gemeinde einstimmig der Charta „Hessen Aktiv: Die Klimakommunen“ bei. Daher ist es unverständlich, dass die Gemeinde in der gleichen Sitzung ein neues Baugebiet durch Änderung des Flächennutzungsplans schaffen möchte, ohne eine gemäß KNP zu erstellende Klimafunktionskarte zu Rate zu ziehen. Aus dieser wären mittelfristige Änderungen des Mikroklimas für Alsbach-Hähnlein zu erkennen. Des Weiteren fehlen die vom Frankfurter Bogen geförderten Baulanddialoge, die eine frühzeitige Beteiligung der eingesessenen Bürgerinnen und Bürgern fördern soll. Der Frankfurter Bogen verlagert die Probleme Frankfurts auf umliegende Gemeinden (Verkehrsaufkommen, Versiegelung, …), daher kann eine Anpassung des Flächennutzungsplanes nur nach einer Ausarbeitung eines langfristigen und belastbaren Konzeptes durchgeführt werden.
Frankfurter Bogen – Erfahrungen aus den Gemeinden im Taunus
- Viele Kommunen hatten anfänglich Interesse und/oder mitgemacht; es kommen aber vermehrt auch berechtigte Bedenken in vielen betroffenen Kommunen auf bzgl. Verlagerung der Probleme von Frankfurt in die umliegenden Gemeinden (Verkehrsaufkommen, Versiegelung, …)
- Insgesamt hohes Risiko, durch schnelle/nicht richtig durchdachte Lösungen das Stadtbild und -klima auf Jahrzehnte zu beschädigen, zusätzlich hohe Anfälligkeit für Inzestplanungen, -vergaben
- Es braucht eine gute Masterplanung vorab und dringend einen sorgfältigen Prozess unter frühestmöglichem Einbezug von unabhängigen Experten. -> Zentrale Fragestellung ist das „WIE“ der Umsetzung
- Keinen Druck machen lassen. Mit Bedacht vorgehen.
- Viele umliegenden Gemeinden nahe Frankfurt haben in den letzten Jahren die Interessen ihrer Bürger deutlich vertreten. Es wurde u.a. erfolgreich Bauland für tausende Wohneinheiten entlang der A5 verhindert.
Fazit: Nicht vorschnell Tatsachen schaffen, wie Bauleitplanung oder Bebauungspläne ohne genaue Ausgestaltungsansätze und Prüfung der Alternativen, Chancen, Risiken und Bürgerinteressen.
Naturschützer befürchten fatale Auswirkungen auf den Artenaustausch und die Erholungsfunktion
Die Korridore zwischen den Siedlungsbereichen dienen dem Austausch von Arten im umgebenden Grün- und Ackerland. Isolation kann lokale Populationen von Tieren und Pflanzen zum Erlöschen bringen. Die Zerschneidung und Blockade der Wanderwege sind wesentliche Ursache beim Schwund an Artenvielfalt.
Gerade die Einschränkungen in Corona-Zeiten machen deutlich, wie wichtig auch für den Menschen eine lebenswerte Umgebung ist. Die Lebensqualität steigt messbar in Gemeinden mit einer hohem Anteil an Grünflächen. Es existiert sogar ein direkter Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und der Anzahl an Vogelarten im direkten Umfeld.
Naturschutz sichert nicht nur die materielle Lebensgrundlage, sondern auch das menschliche Wohlbefinden.
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