Weißstorch-Freunde zählen 381 Brutpaare mit 872 Jungen
Wetzlar – Der Wappenvogel des NABU ist in Hessen weiter auf Erfolgskurs. Immer mehr Weißstörche fühlen sich in Hessen wohl. Bernd Petri und Klaus Hillerich, Sprecher der NABU-Landesarbeitsgruppe Weißstorch, können eine erfreuliche Jahresbilanz ziehen: „Mit 381 Weißstorchpaaren haben wir in 2014 einen neuen Rekord erreicht. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Bestände um 13,5 Prozent gewachsen“, so Petri. Die hessischen Bestände nehmen seit Jahren kontinuierlich zu. Klaus Hillerich, der die Weißstorcherfassung in Hessen koordiniert, führt das vor allem auf die verbesserten Nahrungsbedingungen durch den Schutz von Auwiesen und das Aufstellen von künstlichen Nisthilfen zurück. Das Mekka der hessischen Störche ist der Landkreis Groß-Gerau, wo in diesem Jahr 174 Brutpaare ihre Jungen großgezogen haben. „In den meisten Regionen Südhessens brauchen wir nun keine neuen künstlichen Nisthilfen mehr“, so Hillerich. Anders dagegen in Nordhessen, wo es bislang nur wenige Weißstörche gibt.
Der Ornithologe Petri gibt zu bedenken, dass die Bestände des Weißstorchs in Hessen noch lange nicht stabil seien. „Ohne die Kerngebiete im Hessischen Ried, beim Vogelpark Biebesheim, bei Wiesbaden-Schierstein, in der Wetterau und im Main-Kinzig-Kreis gäbe es im sonstigen Hessen kaum stabile Weißstorchvorkommen. Alles hängt nach wie vor von den Ausbreitungszentren in Südhessen ab“, so Petri. Der Bestand befinde sich gerade erst in einer Phase, in der die Weißstörche frühere Brutgebiete Mittel-, Ost- und Nordhessens wieder besiedelten. Das sei ein sensibles Stadium, das es unbedingt zu stärken gelte. „Der Weißstorch ist in Hessen trotz kontinuierlicher Bestandszunahme und stetigem Zuwachs von Brutpaaren nach wie vor als ‚gefährdet‘ einzustufen“, erklärt Petri. Die Storchenzahlen werden jährlich von vielen hessischen Storchenfreunden der „Arbeitsgruppe Weißstorchberingung in Hessen“ unter Leitung von Klaus Hillerich zusammen getragen. „Ohne die ehrenamtliche Mitarbeit vieler Storchfreunde wäre es gar nicht möglich, die Bestände des weißen Schreitvogels so genau zu beobachten und zu kontrollieren“, erläutert Hillerich.
Für die Zukunft des Weißstorchs in Hessen ist vor allem der Erhalt von Feuchtgrünland von entscheidender Bedeutung. „Störche brauchen möglichst viele nasse Wiesen in Nestnähe, um genug Futter für ihre Jungen finden zu können“, erläutert Petri. Der Lebensraumverlust steige in Hessen immer noch rasant an. Vor allem der Umbruch von Grünland zu Maisäckern für die Energieerzeugung von Biogas sei eine große Gefahr für die weitere Entwicklung der Bestände. Mit dem Verlust von Feuchtgrünland verschwinde nicht nur der Lebensraum des Weißstorches, sondern auch der vieler anderer Tier- und Pflanzenarten. „Der Storchenschutz ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt auf unseren Wiesen“, so Petri.
Weißstorchzahlen (Brutpaare) 2014 nach Landkreisen
Bergstraße: 19, Groß-Gerau: 174, Darmstadt-Dieburg: 18, Wiesbaden: 26, Offenbach: 2, Main-Taunus 6, Main-Kinzig: 41, Fulda: 4, Wetterau: 46, Gießen: 13, Lahn-Dill: 2, Marburg-Biedenkopf: 9, Waldeck-Frankenberg: 2, Hersfeld-Rotenburg: 9, Vogelsberg: 1, Schwalm-Eder: 8, Kassel: 1, alle anderen Landkreise ohne Weißstorchbruten.
Hintergrund-Informationen
Vom südhessischen Auenland bei Lampertheim bis hoch hinauf in das waldreiche nordhessische Vaake im Reinhardswald klappert er wieder, unser sympathischer Wappenvogel, der Weißstorch. Kaum jemand hätte noch Ende des vergangenen Jahrhunderts daran geglaubt, das Hessen wieder zum Storchenland wird. Das Verschwinden des Klapperstorchs im letzten Jahrhundert hatte viele Gründe. Rasante Veränderungen der Landschaften, die Umstellung von Weideviehhaltung auf Stallviehhaltung. Entwässerungen, Flächenverluste durch Bebauung und Verluste durch Leitungsanflüge, Stromschläge und Gifteinsatz.
Mitte der Siebziger Jahre begann man zu retten, was noch zu retten ist. Gerade im NABU engagierten sich die Menschen vor Ort für die Natur und ihre Heimat. An die Rückkehr der Störche glaubten allerdings nur wenige. Neben Renaturierungen von Auengebieten und der Ausweisung von Schutzgebieten gab es „Spinner“, die einfach Masten mit Kunstnestern in die Landschaft stellten, weil sie meinten, dass Störche, sollten sie jemals wieder kommen, diese Nistmöglichkeiten dringend bräuchten. Mit dem Anwachsen der sogenannten „westziehenden“ spanischen Storchenpopulation und verschiedene Auswilderungsprojekte im Elsass und der Schweiz wuchs der Storchenbestand. Vor zwanzig Jahren besuchten dann vereinzelt Störche Südhessen. Und jeder Gast bekam sofort größte Aufmerksamkeit und Fürsorge. Und vor allem: Die modernen Störche flogen auf die von Menschenhand errichteten Nester auf Masten. Seit diesen Tagen kümmern sich viele engagierte Naturschützer um deren Wohl.
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