NABU: Unsinnige Provinzposse um Störche im Sommerloch
zum Artikel im Echo-Online: Störche werden im hessischen Ried zum Problem von 22.8.2016
Groß-Gerau – Klappern gehört zum Handwerk. Bei Störchen, aber auch bei Politikern und bei allen, die auf sich aufmerksam machen wollen. Störche klappern meist zum Grüßen und zur Brautwerbung. Jäger und manche Politiker haben da ganz eigene Motive. Jetzt klappern diese laut und warnen vor den Gefahren von vermeintlich zu vielen Störchen in Südhessen. Es geht also um das Maß. Nur, wer kennt das richtige Maß? Ein Bürgermeister, ein Jäger? Oder maßregelt die Natur? Eine einfache, aber genaue Beobachtung der Störche kann aufklären und Irrtümer vermeiden. „Störche leben gern gesellig. Sie bilden häufig Kolonien. Zum Fressen brauchen sie jederzeit vorrätige Standardgerichte. Das sind bei uns Regenwürmer, Mäuse, Maulwürfe, viele Insekten, Käfer und Heuschrecken. Frösche auf Wiesen, Weiden und Äckern gibt es bei uns kaum. Eine Kröte mag ein Storch nicht schlucken.“, erklärt Bernd Petri, Weißstorchexperte des NABU Hessen. „Wo Mauereidechsen umgesiedelt und geschützt werden, leben keine Störche. Und Fische angeln geht ein Storch auch nicht. Selbst Katzen- und Hundefreunde müssen sich um ihre Liebsten keine Sorgen machen“ so Petri.
Der Ornithologe erklärt, dass Weißstörche nicht auf Hasenjagd gehen und keine Rehkitze suchen. Es komme aber vor, dass Meister Adebar verletzte oder tote Tiere findet und diese verzehrt, da er auch ein Aasfresser ist. „Positiv ausgedrückt fungieren Störche als Gesundheitspolizei in der Wiesenflur. Ratten schmecken den Störchen ganz besonders“, erläutert Petri. Angesichts der wirklichen Speisegewohnheiten der Störche seien Futterneid und Kochtopfkonkurrenz unangebracht. In der Natur rottet eine Tierart eine andere Art, also seine Nahrungsgrundlage, natürlicherweise nicht aus. Trägt ein Storch gut sichtbar einen großen Klumpen im Schnabel, so meinen manche Leute, er hätte ein armes Häschen gefangen. Hat er aber nicht. Er liefert auch kein Menschenbaby aus, sondern trägt einen Ballen Gras mit feuchter Erde und baut damit sein Nest aus. Das tut er ein Leben lang. Deshalb werden die Nester mit der Zeit immer größer. Nahrung transportiert der Storch stets unsichtbar im Kropf.
Das schwierige Dasein von Wildtieren in unserer Landschaft hat andere Gründe als zu viele Schnäbel, zu viele Störche, zu viele Krähen oder zu viele Greifvögel. Die wahren Gründe sind menschengemacht. Neben einer intensivierten Landwirtschaft geht Lebensraum durch den Bau von Straßen, Häusern und Hallen verloren. Und das bei gleichzeitigem Leerstand.
„Wild lebende hessische Störche wurden und werden nicht gefüttert. Anders als Rehe und Wildschweine“, so der Ornithologe Petri. Nisthilfen werden nur ausnahmsweise zu Schulungszwecken, zur Aufwertung von Rad- und Wanderwegen oder als Alternative zu problematischen Brutplätzen auf Strommasten aufgestellt. „Die meisten südhessischen Störche brüten mittlerweile auf Bäumen. Gönnen wir ihnen ihre Selbständigkeit“, ergänzt Petri. Die Altneckarschlingen um Groß-Gerau sind nicht nur ein regenwurmreiches Brutgebiet der Störche, sondern auch ein bedeutender europäischer Rast- und Sammelplatz auf deren Zug. Manch ein Storch bleibt auch im Winter und verzichtet auf die gefahrvolle Reise. Eine Anpassung an unsere immer milderen Winter.
Die allermeisten Menschen im Landkreis Groß-Gerau freuen sich über die Störche und ihr Klappern. Sie sind stolz auf ihre Heimat, weil hier Naturschutz und Wirtschaften miteinander zum Wohle aller gelingen. „Darüber könnte sich auch Bürgermeister Sauer fröhlich stimmen und überlegen, warum Groß-Gerau noch keine mit EU-Geldern geförderte europäische Storchenstadt ist. Da kämen Kröten zumindest in den Stadtsäckel. Und den Jägern sei gesagt, auch bei noch so vielen Störchen werden sie auch zukünftig große Böcke schießen“, so Petri.
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