Sep. 302017
 

Brief der NABU Seeheim-Jugenheim e.V. an Magistrat und Stadtverordnetenversammlung der Stadt Pfungstadt

Sehr geehrte Damen und Herren,

seitdem bekannt ist (Mitte Juni 2017), dass die Stadt Pfungstadt der The Seven Seas Aquarium GmbH & Co KG ein Grundstück für die Errichtung eines großen Indoor-Aquariums „Shark City“ für Haifische und andere Meeresbewohner in einem Industriebgebiet im Nordwesten der Stadt verkaufen will, hat sich der Vorstand des NABU Seeheim-Jugenheim mehrfach in Vorstandsitzungen mit dem Thema beschäf­tigt.

Der NABU Seeheim-Jugenheim ist mit 682 Mitgliedern die bei weitem größte Ortsgruppe des NABU im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Als Nachbargemeinde von Pfungstadt fühlen wir uns von der Maßnahme Hai-Aquarium in Pfungstadt betroffen und getroffen, denn der Natur- und Tierschutz macht vor Gemarkungsgrenzen keinen Halt. Wir geben deshalb zu dem Vorhaben folgende Stellungnahme ab:

  1. Das geplante Hai-Indoor-Aquarium ist ein elementarer Verstoß gegen die Grundsätze des Tier- und Naturschutzes. Salzwasser­aquarienfische sind ganz überwiegend Wildfänge (Zucht ist kaum möglich). Auch von den Betreibern von Shark City wird nicht bestritten, dass mindestens 15 % der „großen“ Haie noch für das Aquarium gefangen werden müssen. Bereits auf dem Transport sterben Tiere nachge­wiesenerweise. Die Haltung im Aquarium bedeutet für die Tiere Gefangenschaft. Um hinreichend mit Sauerstoff versorgt zu sein, müssen die Haie ständig schwimmen, was zu Deformierungen führen kann. Krankheiten der Tiere können nur mit Medikamentengabe be­kämpft werden. In den Aquarien können die Haie auch nicht das notwendige gruppendynamische Verhalten erleben, weil Shark City pro Art höchstens 2 bis 3 Tiere einsetzt. Das Indoor-Aquarium von Pfung­stadt ist das Gegenteil von artgerechter Haltung, es verletzt den Tier­schutz massiv.
  2. Das „vorhabenbezogene Bebauungsgebiet“ liegt in einem Trink­wasserschutzgebiet (Schutzzone III). In geringer Entfernung befinden sich die Wasserwerke Eschollbrücken und Pfungstadt mit ihren Brun­nengalerien. Der Betreiber beruhigt mit Überlauf- und Auffangbecken im Falle einer Betriebsstörung. Im Delfinarium Nürnberg ist ein solcher Schadensfall (Austritt von Salzwasser) im Jahr 2015 eingetreten, Auf­fang­becken waren da zwecklos. Der Salzwasserschaden ist enorm, aber bisher immer noch nicht behoben, weil die Kosten sehr hoch sind (8 Millionen Euro). Wir meinen, die Stadt Pfungstadt geht durch Bau des Indoor-Aquariums mit einer Salzwassermenge von ca. 15 Millionen Liter ein erhebliches Risiko für die Sicherheit der Trink­wasser­versorgung für die Stadt (und in den umliegenden Liefer­gebieten) ein. Offenbar kann auch der latente Wassermangel im Ried (und beson­ders in Pfungstadt) die Entscheidungsgremien der Stadt nicht beein­drucken, zumal der Bau und die Unterhaltung des riesigen Aquariums Millionen von Litern Wasser verschlingen werden.
  3. Das geplante Hai-Indoor-Aquarium ist für die Infrastruktur (insbe­sondere Verkehrs- und Lärmbelastung) der Stadt Pfungstadt, aber auch der Umgebung, eine Zumutung.

Nach Jahrzehnten der Planung und Umsetzung einer Verkehrs- und Lärmentlastung durch die Nordumgehung und einer weiteren Entlastung durch die bereits teilweise fertig gestellte Westumgehung, holt Pfungstadt Verkehr und Lärm zurück.

Täglich werden 450 Pkws (so der Betreiber) sowie Lieferverkehr für das Aquarium den Nordwesten der Stadt wieder zusätzlich belasten und durch Lärm, Emissionen und zugeparkte Straßen den   mühsam errungenen Erholungswert wieder zunichte machen.

Das ohnehin überlastete Rhein-Main-Gebiet wird mit einer weiteren Autokarawane überflutet, damit gefangene Meerestiere sensations­lüstern zur Schau gestellt können – und das hunderte Kilometer von jeglicher Meeresküste entfernt.

Das Projekt ist bei der Pfungstädter Bürgerschaft und der Region hoch umstritten, über 2800 wahlberechtigte Bürger haben sich in einem Bür­gerbegehren dagegen ausgesprochen.. Bundesweit haben sich aus guten Gründen alle großen Tier- und Naturschutzorganisationen gegen „Shark City“ eindeutig ausgesprochen.

Der Neubau einer Zoo-ähnlich Einrichtung für hochsensible Tiere wirkt, wie aus der Zeit gefallen. Die Verantwortlichen von Pfungstadt scha­den damit langfristig dem Ruf ihrer Stadt.

Wir fordern die Stadtverordnetenversammlung und den Magistrat der Stadt Pfungstadt eindringlich auf, die Entscheidung für ein Hai-Indoor-Aquarium zu korrigieren.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Tino Westphal

Im Namen des Vorstandes des NABU Seeheim-Jugenheim e.V.

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