Vielerorts werden Feldwege illegal umgebrochen oder an den Rändern umgepflügt, mit Pestiziden gespritzt oder gedüngt. Damit gehen wichtige Strukturen in der häufig ausgeräumten, intensiv genutzten Agrarlandschaft verloren, die Rückzugsraum oder Nahrungsangebot von Arten des Offenlandes sind. In Norddeutschland geht man von mindestens 1000 ha verlorener Fläche aus (Panorama 3, 17.5.2016), auch in Hessen ist das Problem allgegenwärtig.
Die Biomasse der Fluginsekten nahm seit den 90er Jahren selbst in Schutzgebieten um 75% ab. Deutschland hat in nur zwölf Jahren 12,7 Millionen Vogelbrutpaare verloren (15% des Bestandes). Die Entwicklung der im Offenland lebenden Tier- und Pflanzenarten ist seit mehreren Jahren dramatisch rückläufig. Immer mehr Wildblumen, Schmetterlinge, Wildbienen oder Feldvögel finden sich auf der Roten Liste.
Wege und Wegeränder haben eine wichtige Funktion für den lokalen Biotopverbund. Sie sind wertvoller Lebensraum für mehrere hundert Pflanzenarten und über 1000 Tierarten. Zur Umsetzung der Hessischen Biodiversitätsstrategie sind sie deshalb unverzichtbar. Sie befinden sich in der Regel im Eigentum der Gemeinden. Ohne Genehmigung des Eigentümers und der Unteren Naturschutzbehörde ist das Umpflügen von Feldwegen nicht zulässig.
Bisher zeigt der Hessische Bauernverband wenig Problembewusstsein: Statt dem illegalen Treiben ein Ende zu setzen, rechtfertigt er im Landwirtschaftlichen Wochenblatt (14/2017) den Umbruch als „Rationalisierung“ und „Kosteneinsparungspotential“ mit positiven Umwelt- und Klimaeffekten, weil Treibstoff und damit Emissionen eingespart werden. Statt der Wiederherstellung von Biotop-Strukturen empfiehlt er die Legalisierung durch Nutzungsvereinbarungen mit der Gemeinde und weist sogar darauf hin, dass Landwirte für umgebrochene Feldwege EU-Agrar- Subventionen (Flächenförderung, Direktzahlungen) erhalten können. Er erwähnt hingegen nicht, dass auch der Feldweg an sich schon als Feldrain gilt und als geschütztes Landschaftselement förderfähig im System der Direktzahlungen ist.
Der NABU Hessen fordert daher vom Land Hessen und von den Kommunen ein entschiedeneres Vorgehen gegen diese illegale Landnahme. Für ein besseres Problembewusstsein muss in jedem Landkreis exemplarisch in einer Kommune der Verlust von Wegen und Wegerändern durch den Vergleich von Luftbild und Liegenschaftskarte analysiert und öffentlich gemacht werden. Die öffentliche Förderung für illegal genutzte Flächen muss unterbunden werden. Subventionsbetrug darf nicht geduldet werden und muss Rückzahlungsforderungen nach sich ziehen.
Kommunen müssen aktiv über die Bedeutung der Feldwege- und Saumstrukturen und die Chancen eines lokalen Biotopverbundsystems informiert werden. Bürgermeister müssen aufgeklärt werden, dass Feldraine und Feldwege als Vermögensgegenstände der Gemeinde ebenso pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten sind, wie alle anderen auch. Landwirte müssen über Bußgelder zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie gegen Eigentumsrecht oder Naturschutzrecht verstoßen haben.
NABU-Landesvertreterversammlung Wetzlar, den 22. Oktober 2017
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