Reiner Stürz vom Landschaftspflegehof Stürz stellt im Rahmen einer Exkursion das Projekt der Waldbeweidung im NSG Kalksandkiefernwald vor.
Wie Stürz betont, machen die Hauptarbeit im Naturschutz seine Schafe und Esel, denn im Naturschutzgebiet wurden vor über zehn Jahren Waldbeweidung eingeführt- ein schwieriger und langwieriger Prozess, denn Beweidung im Wald ist in Deutschland gesetzlich verboten.
Zum Anfang des Projektes vor über zwanzig Jahren war der ehemals artenreiche lichte Kalksandkiefernwald weitgehend entwertet und kaum noch forstlich nutzbar. Durch Änderung der Waldwirtschaft und dem Eintrag von Stickstoff über die Luft dominierten in der Strauchschicht die Spätblühende Traubenkirsche und darunter verhinderte ein undurchdringliches Brombeerdickicht schlicht das Betreten des Waldes. Orchideen und andere lichtliebende Arten der Kalksand-Binnendünen waren weitgehend verschwunden oder vereinzelt nur noch an ganz wenigen Stellen vorhanden.
Nach der Einrichtung des Naturschutzgebietes – damals gegen den starken Widerstand von HessenForst – wurde zunächst mit Ziegen das undurchdringliche Dickicht an Unterwuchs gelichtet. Später sollte Schweinehaltung für natürliche offene Stellen und regelmäßige Bodenverletzung im Interesse der Artenvielfalt sorgen- wegen rechtlicher Schwierigkeiten musste die Idee der Beweidung mit Wollschweinen aber schon vor Jahren leider wieder aufgegeben werden.
Heute wird das Naturschutzgebiet mit einer angepassten Kombination aus Schaf- und Eselbeweidung freigehalten.
Waldweide mit Eseln
Vier freundliche Eseldamen arbeiten aktuell im Wald.
Ein großer Vorteil: Esel fressen keine Kiefernsprösslinge. Das heißt, man kann ohne großen manuellen Aufwand die natürliche Verjüngung der Kiefer im Kalksandkiefernwald fördern.
Von den tausenden zu Beginn des Projektes nachgepflanzten Kiefern sind die wenigsten heute noch vorhanden- offenbar kommen die Kiefern aus der Baumschule mit den neuen Umweltbedigungen nicht zurecht und fallen dem Maikäfer zum Opfer. Ein Problem, was alle Wälder südlich Darmstadt zu tragen haben.
Nur an einer Stelle wurde mit hohem Aufwand erfolgreich eine Kiefern-Monokultur gepflanzt- die aber erfordert weiteres Investment bei der erforderlichen manuelle Durchforstung, denn jetzt und in Zukunft muss hier ausgelichtet werden. Vor allem aber entsteht in diesem Bereich ein sehr dichter und Alters-einheitlicher Wald mit bekannten Problemen bei der Stabilität und natürlich ein ausgesprochen Arten-armer Wirtschaftswald.
Kiefern-Stangenwald
Ein ausgesprochen positive Entwicklung aber zeigt sich in den Beweidungsgebieten: Naturverjüngung so weit das Auge reicht, Jungpflanzen der Kiefer, die trotz Wassermangel und Maikäferbelastung einen jährlichen Zuwachs von über einem halben Meter zeigen und keine Folgekosten durch notwendige Beförsterung erzeugen. Hier muss niemand vereinzeln. Ein natürlicher Mehr-Generationenwald mit ganz unterschiedlichen Arten wächst heran und bietet im Unterholz auch noch Platz für die fast verloren gegangenen botanischen Kostbarkeiten der Binnendünen.
Nach der jahrelangen Beweidung sieht man an der Grenze zwischen Naturschutzgebiet und „normalem“ Wald den Unterschied- nicht nur ist der Wald im NSG ästhetisch schöner anzusehen und überhaupt erleb- und betretbar. Er biete sichtlich grössere Artenvielfalt am Boden. Erstaunlicherweise sind selbst nach dieser kurzen Zeit schon Unterschiede an den Waldbäumen erkennbar: die Beweidung tut ihnen sichtlich gut. Sie haben besseren Zugang zum Regenwasser, dass nicht mehr im Dickicht verdunstet, bevor es zu den Baumwurzeln gelangt und bekanntermaßen führt die Zurückdrängung des Grases im Wald zu einer Verbesserung der Belastung durch den Waldmaikäfer.
Direkter Vergleich – Flächen links ohne, rechts nach Waldbeweidung
Essenszeit
im Wald – zum Abschluss der Tour gibt es selbst gemachter Leberwurst vom Schaf, Käse und frisches Brot. Lecker.
Die Erfolgsliste an seltenen Arten, die Reiner Stürz als Lohn seiner jahrelangen Arbeit nacheinender bei der Exkursion präsentiert, kann sich sehen lassen:
- Echtes Federgras (Stipa pennata) eine in Deutschland gefährdete Art, nimmt hier im Naturschutzgebiet dank des Beweidungsprojektes wieder etwas zu.
- Kleines Wintergrün (Pyrola minor), eine in Hessen gefährdete Art, macht Sorgen- hier ist nicht klar ob sie erhalten werden kann. Trotz des liebevollem Einzelschutzes, den die kleinen Pflänzchen hier im Wald durch Rainer Stürz erfahren. Dasselbe gilt für den
- Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata).
- Sand-Silberscharte (Jurinea cyanoides) eine in Deutschland stark gefährdete Art ist entsprechend streng geschützt gemäß FFH-Richtlinie EG 2013/17 Anhang II. Für die Art bessert sich im Gebiet des NSG bei Seeheim Dank der aufwändigen zielgerichteten Pflegemaßnahmen langsam wieder der Erhaltungszustand.
- Ausdauernder Lein (Linum perenne) ist sie extrem selten und vom Aussterben bedroht. Das größte Vorkommen der Art in Deutschland befindet sich hier südlich von Darmstadt. Er steht auf Stufe 1 der Roten Liste gefährdeter Arten und ist laut BArtSchV streng geschützt.
- Rotes Waldvöglein (Cephalanthera rubra) wie alle Orchideen Deutschlands streng geschützt.
- Weiße Waldhyazinthe (Platanthera bifolia) kommt im Kiefernwald erfreulicherweise jetzt wieder in tausenden Exemplaren vor- auch außerhalb der eingezäunten Flächen.
- Die Netzblatt-Orchidee im NSG gehört zu den Sorgenkindern. Es gibt nur wenige Exemplare, die nur selten zur Blüte kommen. Die Pflanze wurzelt nur flach in der Moosschicht.
- Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avis) eine vollkommen chlorophyll-freie und deshalb bleiche, parasitisch lebende Orchidee, die sich bestimmte Pilze als Wirt sucht.
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