NABU: Novelle des Hessischen Wassergesetzes greift zu kurz
Wetzlar – Was der NABU Hessen seit Jahren fordert, wird nun endlich umgesetzt: Hessen novelliert sein Wassergesetz. Trotzdem sehen es die Naturschützer mit einem lachendem und einem weinenden Auge. „Dynamische Gewässer und die dort lebenden Tiere brauchen Platz“, betont Stefanie Stüber, stellvertretende Landesvorsitzende des NABU Hessen. Und den bekommen sie mit der Gesetzesänderung immer noch nicht in ausreichendem Maße.
Statt eines ungenutzten Zehnmeter-Streifens mit natürlicher Entwicklung soll es nur einen Viermeter-Streifen geben, auf dem nicht mehr gepflügt werden darf. So soll der Phosphor-Eintrag durch Bodenabtrag aus Äckern verringert werden. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs lässt sich aber entnehmen, dass das nur eine Fläche von 2000 Hektar ausmacht. Das sind gerade einmal 0,4 Prozent der Ackerfläche in Hessen. Nach Ansicht des NABU wird die Verringerung des Phosphor-Eintrags aus der Landwirtschaft damit verschwindend gering sein. Pikanterweise betont auch die Begründung, dass dies für die Landwirtschaft „keine relevante Größe“ ist. Im Viermeter-Streifen will die Umweltministerin Priska Hinz auch den Einsatz von Dünge- und Spritzmitteln verbieten, damit weniger Gift und Nitrat in die Bäche läuft. Dies begrüßt der NABU als guten Anfang.
Allerdings könne das eigentliche Ziel des Gewässerrandstreifens nicht erreicht werden. Der ist sogar in der Gesetzesbegründung formuliert: So soll hier eigentlich eine strukturreiche Ufervegetation aus Gehölzsäumen oder Hochstaudenfluren Lebensraum „für die terrestrische und aquatische Flora und Fauna“ darstellen und damit zur Artenvielfalt beitragen. Der Randstreifen soll „Entwicklungs- und Vernetzungskorridor“ sein und auch dem Wasserrückhalt bei Hochwasser dienen. Demnach sollen sie auch eine „Filterfunktion gegen den Eintrag von Sedimenten, Nähr- und Schadstoffen“ in die Bäche haben. „All das ist unmöglich, wenn die Gewässerrandstreifen weiter bewirtschaftet werden“, so Stüber. Wenn gemäht und die ackerbauliche Nutzung „mit konservierenden Bodenbearbeitungsverfahren“ fortgesetzt werden darf, werde es keine Gehölze oder Hochstaudenfluren mit hoher Artenvielfalt, keine Filterung, keinen Hochwasserschutz geben.
Laut NABU wird das Gesetz auch nicht der laufenden Ausbreitung der Biber an Hessens Flüssen gerecht. Inzwischen gibt es 591 Biber in Hessen, im Jahr 2007 waren es nur 145. „Der Biber braucht einen Streifen von 10 bis 30 Meter entlang der Gewässer zum leben“, so Stüber. Dort fallen Bäume um, werden Ufer nass oder es entstehen sogar Biberseen. Gleichzeitig bringt der Landschaftsgestalter genau die hohe Artenvielfalt zurück, die seit der Bach-Begradigungen verschwunden ist. Die Naturschützer sagen eine weitere Ausbreitung der Biber voraus. „Ein konfliktfreies Miteinander von Biber und Landwirtschaft kann es auf Dauer nur geben, wenn die Bäche einen nutzungsfreien Uferstreifen bekommen“, so der NABU.
Vor drei Wochen hat der NABU gemeinsam mit dem BUND eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Die Naturschützer rufen die EU darin auf, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten, weil die schon vor 17 Jahren erlassene EU-Wasserrahmen-Richtlinie nicht eingehalten wurde. Sie schrieb den Ländern eigentlich vor, bis 2015 alle Bäche und Flüsse in einen „guten Zustand“ zu bringen. Hessen hat das nur in 21 von 414 Fällen geschafft. Unverständnis hat der NABU deshalb für eine Regelung im Gesetzentwurf, dass das Pflügeverbot im Viermeter-Streifen erst ab 2022 gelten soll. „Der Ernst der Lage wurde nicht begriffen“, so Stüber. Offenbar habe der Koalitionspartner CDU die nötigen Verbesserungen im Gewässerschutz im Interesse der Landwirtschaftslobby ausgebremst.
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