Sep 232020
 

In tropischen Gewässern kommt es infolge der Klimaerwärmung durch erhöhte Meeresoberflächentemperaturen zu einer wiederkehrenden beispiellosen Massenbleiche von Korallenriffen. Das Great Barrier Reef in Australien ist zurzeit zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren von einer großen Korallenbleiche betroffen. Wurden früher Korallenbleichen vor allem durch die warmen Meeresströmungen des Klimaphänomens El Niño ausgelöst, geschieht dies heute teilweise ‚einfach so‘. Die Temperaturschübe folgen so dicht hintereinander, dass sich die Korallen in den Zeiträumen dazwischen nicht mehr ausreichend regenerieren können. Die Häufigkeit schwerer Bleichereignisse ist weltweit von einmal alle 27 Jahre in den frühen 1980er Jahren auf derzeit alle 1-3 Jahre gestiegen.

Die Ästhetik stimmt, doch der Schein trügt, gebleichte Seeanemone mit sub-adultem leidenden Stachel-Anemonenfisch (Premnas biaculeatus).

Folgen sie in diesem Bericht dem Natur- und Unterwasserfotograf Thomas Kuhn in die Kimbe Bay nach Papua-Neuguinea. Die Kimbe Bay liegt in New Britain, einer über 500 km langen Außeninsel von Papua-Neuguinea und umschließt mit der ebenfalls großen Insel New Ireland die Bismarcksee, einen Teil des „Korallendreiecks“ mit der höchsten marinen Biodiversität.

Die Anemonenfische

Anemonenfische bilden eine symbiotische Beziehung mit Seeanemonen und verbringen den größten Teil ihres Lebens in enger Verbindung mit ihrer Wirtsanemone. 29 Arten sind bekannt. Anemonenfische sind auf den Schutz der nesselnden, giftigen Seeanemonen angewiesen, um sich vor Räubern zu schützen, insbesondere im Jugendstadium. Anemonenfische sind immun gegen das Nesselgift. Sie bedecken sich mit einem Schleim, der von der Anemone abgegeben wird. Als schlechter Schwimmer hat der Anemonenfisch hier Schutz vor Fressfeinden. Auch Seeanemonen haben einen Vorteil davon, wenn sie mit Anemonenfischen in Symbiose leben. Die Anemonenfische sind ausgezeichnete Wächter, halten die Fressfeinde der Anemonen fern und schützen die Seeanemonen vor Parasiten.

Echter Clownfisch (Amphiprion percula) in einer gesunden Seeanemone.

Die Seeanemonen

Seeanemonen gehören wie die Steinkorallen zu den sechsstrahligen Blumentieren (Hexakorallen). Es gibt über 1200 Seeanemonenarten. Seeanemonen sind Polypen, die vom Körperbau Ähnlichkeit mit den Steinkorallenpolypen aufweisen. Allerdings ziehen Steinkorallen ihr Polypen Gewebe in ein festes Kalkskelett zurück; dagegen verzichten Seeanemonen auf diesen Schutz. Neben dem Planktonfang haben einige Seeanemonen genauso wie viele Steinkorallenarten eine weitere Ernährungsweise entwickelt: die Symbiose mit kleinen einzelligen Algen, sogenannten Zooxanthellen. Diese geben den Seeanemonen auch ihre individuelle Färbung. Diese Symbiosealgen (Pflanzen!) verbrauchen Kohlendioxid, bauen Zucker auf und geben Sauerstoff ab. Die Polypen (Tiere!) verbrauchen Sauerstoff und Zucker und geben Kohlendioxid ab; eine Kreislaufwirtschaft zwischen Pflanze und Tier, von der beide Seiten profitieren!

Seltene grüne Farbvariante der Blasenanemone (Entacmaea quadricolor), ein Generalist, der mit elf verschiedenen Anemonenfischarten zusammenleben kann.

Die Symbiose zwischen Anemonenfischen und Seeanemonen

Anemonenfische gehen mit zehn verschiedenen Seeanemonenarten eine Symbiose ein, die sie aktiv vor Feinden schützt. Sie können im Allgemeinen nicht ohne ihre Wirte, den Seeanemonen in freier Wildbahn überleben.
Die Wirtsspezifität variiert zwischen den Anemonenfischen, wobei es Generalisten gibt, die mit mehreren Seeanemonenarten und andere, die nur mit einer einzelnen Wirtsanemone assoziieren.

Die Korallenbleiche und das Bleichen der Seeanemonen

Das Bleichen von Korallen ist eine allgemeine Stressreaktion, dass durch eine Erhöhung der Meerestemperatur ausgelöst wird und eine Reihe von Organismen am Korallenriff betrifft, unter anderem Korallen, Seeanemonen sowie Muscheln.

Das Bleichen der Seeanemonen bewirkt, ähnlich wie bei den Steinkorallen, den Abbau der Symbiose zwischen dem tierischen Wirt, der Seeanemone, und seinen einzelligen Algensymbionten. Die Temperaturerhöhung bewirkt, dass die Symbiose Algen Giftstoffe ausscheiden, so dass der Polyp die Algen ausstößt, was dazu führt, dass die Seeanemone anschließend blass oder weiß aussieht.

Der Zusammenbruch dieser Beziehung hat Auswirkungen auf die Gesundheit des Wirts, da diese Algen für die Photosynthese verantwortlich sind, die zur Deckung einer Reihe von Stoffwechselbedürfnissen dienen. Wenn diese Stressoren extrem sind oder über einen längeren Zeitraum andauern, stirbt die Seeanemone ab. Wenn die Erwärmung jedoch weniger schwerwiegend ist oder nur für einen kürzeren Zeitraum besteht, kann die Seeanemone nur vorrübergehend bleichen, am Leben bleiben und eine gesunde Symbiosealgen-Population wiedererlangen.

Dominantes Weibchen eines Stachel-Anemonenfischs (Premnas biaculeatus) in einer gebleichten Blasenanemone (Entacmaea quadricolor). Der Stachel-Anemonenfisch ist mit einer maximalen Länge von 17 Zentimetern die größte Art der Anemonenfische. Er besitzt als einziger Anemonenfisch einen Stachel am unteren Kiemendeckel.

Anemonenfische in gebleichten Seeanemonen unter Stress

Anemonenfische können durch ihren Geruchssinn zwischen ungebleichten und gebleichten Wirtsseeanemonen unterscheiden.
Werden gebleichte Wirtsanemonen von Anemonenfischen ausgewählt, liegt es daran, dass keine spezifischen ungebleichten Wirtsanemonen zur Verfügung stehen. Der Bedarf an artspezifischen Wirten während der Besiedlung ist somit stärker als die Gesundheit des Lebensraums.

Während des Erwärmungsereignisses erfahren Anemonenfische in gebleichten Seeanemonen einen erheblichen Anstieg ihres Plasma-Cortisolspiegels, einem Stresshormon.
Anemonenfische, die in gebleichten Anemonen leben, sind chronisch gestresst!

Die Stressachse zielt darauf ab, die Stabilität (Homöostase) trotz sich ändernder Bedingungen aufrechtzuerhalten, so dass wiederkehrende Erhöhungen zu einer chronisch erhöhten Stressachse führen, die das Überleben, allerdings auf Kosten der Fortpflanzung, fördern. Die Ansiedlung auf einem Bleichwirt hat also direkte Auswirkungen auf den zukünftigen Fortpflanzungserfolg des Anemonenfisches.
In Studien, die 2017 in Französisch-Polynesien durchgeführt wurden, konnte man folgende Einbußen in der Fortpflanzung der Anemonenfische feststellen:
Die Anemonenfische, die mit gebleichten Wirten assoziiert sind, laichen etwa 50% weniger häufig, legen 65% weniger Eier und zeigen eine um 40% höhere Eizellensterblichkeit und produzieren letztendlich 75% weniger lebensfähige Eier als vor der Bleichperiode.

Solche physiologischen Reaktionen auf das Bleichen spiegeln sich auch in der Stoffwechselrate wieder.
In diesem Zusammenhang ergeben sich weitere Lebensverschlechterungen für die Anemonenfische:

  • Anemonenfische, die mit gebleichten Seeanemonen assoziiert sind, haben einen energetischen Nachteil und weisen um 70% niedrigere Wachstumsraten auf.
  • Verlust der Tarnung: Anemonenfische sind vor dem weißen Hintergrund einer gebleichten Seeanemone auffälliger, was zu einer erhöhten Gefahr gegenüber Räubern führt.
  • Die Seeanemonen schrumpfen während des Bleichereignisses. Der damit verbundene verringerte Schutzraum, sowie eine verringerte Neurotoxizität des Nesselgiftes, erhöhen ebenfalls das Risiko von Räubern gefressen zu werden.
  • Durch eine weitere Erhöhung des Kohlendioxidgehalts (Versauerung der Ozeane) wird ein weiterer zusätzlicher Stressor hinzugefügt.
Echter Clownfisch (Amphiprion percula) in einer gebleichten Seeanemone. Die rosafarbenen Spitzen der Tentakel der Anemone sind noch nicht voll durchgebleicht und besitzen noch einige Algensymbionten

Akklimatisierung

Da sich vom Menschen initiierte Stressfaktoren sowie die Änderung der Umwelt- und Klimabedingungen in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich vervielfachen werden, bleibt zu hoffen, dass sich die Populationen in ihrer Physiologie und in ihrem Verhalten schnell genug anpassen können.

Korallenrifffische zeigen sowohl bei der Stoffwechselrate als auch bei der Fortpflanzung bei moderat erhöhten Temperaturen eine akklimatisierte und generationsübergreifende Anpassung an sich verändernde Umweltfaktoren.

Die gebleichten Seeanemonen sind in den artenreichen Korallenriffen in der Kimbe Bay in Papua-Neuguinea nur selten zu entdecken und mussten gezielt gesucht werden. Die Unterwasser Aufnahmen entstanden bei Besuchen in der Kimbe Bay in den Jahren 2006, 2007, 2009, 2017 und 2019.

Die Bismarcksee ist durch die Abschirmung von New Ireland, New Britain sowie des Festlandes von Papua-Neuguinea, gut gegen von außen wirkende Meereserwärmungen geschützt. Dies bewahrte bisher die ökologisch wertvolle Meeresregion vor großen Korallenbleichen.

Ein Halsband-Anemonenfisch (Amphiprion perideraion) in einer gebleichten Seeanemone.

Quellennachweis:

Es wurden ausgewählte Fakten aus den beiden folgenden Studien entnommen:

  • Cascading effects of thermally-induced anemone bleaching on associated anemonefish hormonal stress response and reproduction. Ricardo Beldade, Agathe Blandin, Rory O’Donnell & Suzanne C. Mills. Published: Nature Communications volume 8, Article number: 716 (2017)
  • Anemone bleaching increases the metabolic demands of symbiont anemonefish. Tommy Norin,Suzanne C. Mills, Amélie Crespel , Daphne Cortese , Shaun S. Killen and Ricardo Beldade – Published:11 April 2018 by the Royal Society (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences)

Text und Fotos: © Thomas Kuhn, Darmstadt

Kameras:

NIKON D3 im SUBAL ND3 Gehäuse mit AF-S VR Micro-Nikkor 105 mm 1:2,8G IF-ED (mit zwei INON Z-240 Blitzen)

NIKONOS RS mit Nikon R-UW AF Micro Nikkor 50mm F/2.8 (mit zwei NIKONOS SB-104 Blitzen)

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