Wie alles begann
Vor vier Jahren, im Corona-Sommer 2020, saß ich abends auf der Terrasse und bemerkte, dass sehr viele Fledermäuse unterwegs waren. Das Schauspiel wiederholte sich Abend für Abend, und ich fragte mich, welche Arten da wohl über meinen Kopf hinweg fliegen.
So begann ich mich für Fledermäuse zu interessieren, besorgte mir Literatur, suchte Kontakt zu fledermauskundigen Leuten und war mehr und mehr gefesselt von diesen faszinierenden Tieren. Ich lernte, dass die Erkennung dieser nachtaktiven Tiere (schon auf Grund der Lichtverhältnisse) nicht einfach ist. Eine Möglichkeit ist, die Echoortungsrufe, die die Fledermäuse zur Jagd während der Nacht von sich geben, aufzunehmen und einer Art zuzuordnen. Diese Rufe sind sehr hochfrequent im Ultraschallbereich und für Menschen nicht hörbar. Deshalb können herkömmliche Aufnahmegeräte für die Fledermausbestimmung leider nicht eingesetzt werden.
Als Elektroingenieur mit Corona-bedingter Langeweile beschloss ich, mir die nötigen Aufnahmegeräte selbst zu entwickeln und zu bauen. Mit Unterstützung des NABU Darmstadt entstanden Geräte, die unauffällig in der Landschaft positioniert werden können und die in der Lage sind, mehrere Nächte am Stück Aufnahmen zu machen. Schnell musste ich aber feststellen, dass innerhalb kürzester Zeit viele tausend(!) Aufnahmen zustande kommen, und damit die Zuordnung sehr zeitaufwändig ist.
Hier kam mir die momentan sehr populäre Technik der Künstlichen Intelligenz (KI) zu Hilfe. Ich entwickelte eine Software zur automatischen Auswertung auf der Basis eines von der Universität Edinburgh entwickelten KI-Modells. Damit ist es möglich, die Bearbeitungszeit zur Bestimmung der vielen tausend Aufnahmen drastisch zu reduzieren.
Und was fliegt nun nachts in Seeheim und Umgebung?
Seit Beginn des Jahres 2024 wurden nun systematisch mehrere Geräte jeweils für ein paar Nächte an verschiedenen Orten aufgestellt, um die Fledermausaktivität vor Ort zu erkunden. Dabei wurden über eine Million Rufe aufgezeichnet und ausgewertet. Die detaillierten Ergebnisse sind in tabellarischer Form hier
abrufbar. Auf der Karte sind alle Aufnahmeorte gekennzeichnet.
Mit einem Mausklick auf eine der Nadeln gelangt man zu den detaillierten Auswertungen zu den einzelnen Aufnahmeorten.
Es ist erstaunlich, wie viele verschiedende Arten hier in der Gegend vorkommen. Von den insgesamt 25 Arten, die in Deutschland heimisch sind, konnten in 2024 in Seeheim-Jugenheim immerhin 12 nachgewiesen werden. Am Ende des Artikels sind einige Hörbeispiele.
Was folgt daraus?
Bei aller Freude über die Vorkommen hier vor Ort sind alle Fledermausarten in Deutschland stark gefährdet. Das fortschreitende Insektensterben nimmt ihnen die Nahrungsgrundlage und durch zunehmende Modernisierung von Gebäuden sowie das „Aufräumen“ der Wälder entfallen mehr und mehr die nötigen Quartiere. Deshalb benötigen Fledermäuse unsere Hilfe und Unterstützung.
Mit den gewonnenen Erkenntnissen ist es möglich, noch gezieltere – speziell auf die jeweilige Art angepasste – Schutzmaßnahmen umzusetzen:
- Fledermausfreundliche Sanierung von Häusern https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/fledermaeuse/aktiv-fuer-fledermaeuse/14001.html
- Aufhängen von Fledermauskästen https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/fledermaeuse/aktiv-fuer-fledermaeuse/fledermauskasten.html
- Erhalt von Totholzbeständen im Wald
- Fledermausfreundliche Gärten https://hamburg.nabu.de/tiere-und-pflanzen/garten/gartentipps/05217.html
Wie geht es weiter?
Mittlerweile arbeiten mehrere NABU-Gruppen im Kreis mit den Geräten und helfen tatkräftig bei der Weiterentwicklung der Technik und dem Training des KI-Modells mit. Die nächsten Jahre wird die Überwachung an so vielen Stellen wie möglich fortgesetzt, um die Bestandsentwicklung im Auge zu behalten.
Außerdem sind wir an einem Forschungsprojekt der TU Darmstadt zur Erforschung der Veränderungen im Wald durch den Klimawandel beteiligt. Auch hier wird mittels Aufnahmegeräten und der Auswertungssoftware die Zusammensetzung der Fledermauspopulation ermittelt.
Hörbeispiele
Die Rufe der einzelnen Arten kann man sich anhören. Um sie hörbar zu machen, werden sie deutlich verlangsamt abgespielt:
Spektrogramm pro Art, Audio (10-fach zeitgedehnt) | |
Mopsfledermaus |
Breitflügelfledermaus |
Wasserfledermaus |
Kleiner Abendsegler |
Großer Abendsegler |
Langohrfledermäuse |
Rauhautfledermaus |
Zwergfledermaus |
Mückenfledermaus |