Dez. 302025
 

Der Flächenfraß geht ungebremst weiter

Karte: rot markiert – geforderte Ausweisung von Flächen im Regionalplan für drei neue Wohngebiete und ein neues Gewerbegebiet im Aussengebiet von Seeheim-Jugenheim

Die Ausweisung von Flächen im Regionalplan für drei neue Wohngebiete und ein neues Gewerbegebiet im Aussengebiet von Seeheim-Jugenheim wird von einer Mehrheit der Gemeindevertretung Seeheim-Jugenheim gefordert. SPD, CDU und FDP befürworten den Ausbau, die Grünen und die Linke sprachen sich dagegen aus.

Die Argumente der Befürwortenden: Sicherung von Steuereinnahmen als auch von Arbeitsplätzen. Und eine „maßvolle“ Ausweitung von Siedlungsvorranggebieten.

Die Argumente der Wachstums-Ideologie haben sich in den letzten 50 Jahren nicht verändert.

Das Ergebnis ist schon heute eine Zersiedlung der Bergstraße in einem Ausmaß, so dass nur noch kleine Restflächen von wenigen 100 Metern an offener Landschaft im weitgehend versiegelten Siedlungsband zwischen Eberstadt und Zwingenberg verblieben sind. Das weiter vorgebrachte Argument der maßvollen Bebauung unter Beachtung von Klima- und Naturschutz wird damit absurd.

Klimakrise? Krise der Artenvielfalt? War da was?

Die Auswirkungen auf Natur- und Klimaschutz sind schon heute dramatisch. Unwissen darüber kann nicht angenommen werden bei den Entscheidern der Kommunalpolitik in Seeheim-Jugenheim, eher die aktive Vermeidung oder Ausblendung von Informationen, die dem eigenen Weltbild oder den eigenen Interessen widersprechen.

Der NABU fordert den Stopp weiterer Versiegelung im Außengebiet der Gemeinde Seeheim-Jugenheim.

Lückenschluss zwischen Seeheim und Jugenheim

Hier wird der Korridor zwischen Seeheim und Jugenheim bis auf die 100m breite Gastrasse geschlossen. Die geplanten Baugebiete südlich Zeppelinweg (2,8 ha) und nördlich Notisweg (2,9 ha) verschmelzen die Ortskerne zu einer quasi ununterbrochenen Besiedlungsfläche.

Geplantes Baugebiet südlich Zeppelinweg – eine Erweiterung des existierenden Bebauungsplans am Zeppelinweg

Die Freifläche hat besonders hohe bioklimatische Bedeutung für das Stadtklima und ist einer der letzten Korridore für den Artenaustausch zwischen dem Bergland und der Ebene.

Geplantes Baugebiet nördlich Notisweg

Korridor zwischen Jugenheim und Alsbach zubetoniert

Eine der landschaftlich prägenden Ansichten der Bergstraße droht verloren zu gehen.

Das geplante Baugebiet mit einer Größe von 4,7 ha engt den Korridor zwischen Jugenheim und Alsbach auf nur noch 200m ein, einer Freifläche mit besonders hoher bioklimatischer Bedeutung für das Stadtklima und einer der letzten Korridore für den Artenaustausch zwischen dem Bergland und der Ebene.

Das Vorhaben gefährdet unmittelbar eines der letzten Vorkommen der Dunklen Weidensandbiene (Andrean apicata).

Geplantes Baugebiet östlich Zwingenberger Straße

Aus der Versenkung geholt – neues Gewerbegebiet „Schenkenäcker“

Karte: Geplantes Gewerbegebiet Neben Schenkenäcker

Den dramatischen Verlust an Artenvielfalt aber können die FFH-Schutzgebiete auch lokal bis heute nicht aufhalten. Auch durch den ehrenamtlichen Einsatz von Aktiven des NABU konnte im Gebiet der eiszeitlichen Dünen der Schenkenäcker ein Restvorkommen der Sand-Silberscharte (Jurinea cyanoides) erhalten werden. Wegen seiner Kleinteiligkeit und Isolation ist das Vorkommen aber zunehmend gefährdet. Ein Baugebiet in den Schenkenäckern könnte ursächlich werden für das lokale Erlöschen der Art.

Neben wertvollen Ackerflächen würden auch Waldflächen überbaut werden, die eine wesentliche Kühlfunktion in heißen Sommern und Erholungsräume für die Bewohner von Seeheim-Jugenheim zur Verfügung stellen.

20 Jahre zuvor gab es schon einen anhaltenden Konflikt um ein Gewerbegebiet „Neben Schenkenäcker“, eine Idee, die nach langen Diskussionen in 2005 mit der Mehrheit aller Fraktionen der Gemeinde Seeheim-Jugenheim zu den Akten gelegt wurde. Der Konsens damals: Naherholung und Naturschutz müssen hier Priorität haben. Das Kerngebiet der wertvollen eiszeitlichen Düne Neben Schenkenäcker wurde nach diesem Konflikt 2008 als FFH-Gebiet unter Schutz gestellt.

Geplantes Baugebiet Schenkenäcker

Überraschenderweise wird die Idee für ein 7 ha großes Gewerbegebiet an dieser Stelle jetzt wieder ausgegraben – obwohl alle Probleme, die schon vor 20 Jahren zum Abbruch des Vorhabens führten, ja nicht verschwunden sind. Im Gegenteil. Die Krise der Artenvielfalt wie die Klimakrise haben sich verschärft.

Klimaschutz in Seeheim-Jugenheim – Ein Trauerspiel

Durch den Klimawandel ist in Südhessen, insbesondere entlang der Bergstraße, mit weiter steigenden Temperaturen zu rechnen. Daher wurden in der Regionalplanung auf Grundlage einer Klimaanalyse neue Vorranggebiete für besonderen Klimafunktionen ausgewiesen. In diesen Bereichen haben die Entstehung von Kalt- und Frischluft sowie deren Leitbahnen Vorrang vor einer weiteren Bebauung. Die Ortsteile Seeheim und Jugenheim sind aus guten Gründen von solchen Vorranggebieten umgeben, um einer übermäßigen Aufheizung in den Sommermonaten entgegenzuwirken.

Seeheim-Jugenheim ist Unterzeichner der Klima-Charta Hessen, aber man kann getrost feststellen, dass Klimaschutz in den kommunalen Entscheidungsprozessen praktisch keine Rolle spielt.

Der NABU fordert, dass die Vorranggebiete für Klimafunktionen im Regionalplan unbedingt respektiert werden müssen.

Der NABU fordert eine sorgfältige lokale Klima-Analyse für Seeheim-Jugenheim vor dem Beginn jeder Bauplanung und einen echten Klimavorbehalt für jede Bau-Entscheidung.

Vorbildlich – der Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbeirat im benachbarten Alsbach-Hähnlein

Vorbildlich für eine lokale Klimaanalyse zur Beurteilung kleinklimatischer Auswirkungen von Bauvorhaben ist die Klimafunktionskarte der benachbarten Gemeinde Alsbach‑Hähnlein. Hier wird für ein lokal vergleichbares Umfeld der außerordentlich hohe Schutzbedarf von Freiflächen mit besonders hoher bioklimatischer Bedeutung für das Stadtklima ausgewiesen – keine Überraschung: der bisher noch freie Korridor zwischen Alsbach und Zwingenberg ist hier ganz entscheidend.

Entsprechend fordert der KNB Alsbach-Hähnlein die Ergänzung im Regionalplan mit einer Kennzeichnung von Flächen mit „Besonderer Klimafunktion“ insbesondere zwischen den Ortsteilen Alsbach und Jugenheim. Der Bebauungsplan östlich Zeppelinweg berührt hier direkt die Interessen von Alsbach-Hähnlein.

Ebenso wäre es ganz und gar verantwortungslos, vergleichbare Flächen zwischen Seeheim und Jugenheim zuzubauen.

Erfolg für den Klimaschutz wie für den Naturschutz in Alsbach Hähnlein

Das geplante Baugebiet „Quartier 22“ auf einer Vorrangfläche für Landwirtschaft und regionalen Grünzug, das ein Zusammenwachsen der Ortsteile begünstigt hätte, wurde einem Antrag der SPD-Fraktion folgend aufgehoben. Eine Umnutzung dieser Flächen soll im Regionalplan nicht mehr vorgesehen werden.

Erhalt offener Korridore für den Artenaustausch

Das Offenland zwischen den menschlichen Siedlungen fungiert als Korridor für den Artenaustausch, indem es isolierte Habitate verbindet und Migration ermöglicht. Dadurch fördert es genetischen Austausch, Neu- und Wiederbesiedlung sowie Anpassung an Veränderungen wie den Klimawandel.

Schutz bedrohter Arten

So wie jede neue Umgehungsstraße, jedes neue Baugebiet das lokale Aussterben von Arten verursachen, kann dies auch im Fall der Pläne in Seeheim-Jugenheim angenommen werden.

Konkret gefährdete Arten im Planungsgebiet

  • Dunkle Weidensandbiene (Andrean apicata) – unmittelbar bedroht beim Ausbau des Wohngebiets südlich Jugenheim
  • Sand-Silberscharte (Jurinea cyanoides) – unmittelbar bedroht beim Ausbau des Gewerbegiets im Bereich der eiszeitlichen Dünen im Gebiet Neben Schenkenäckern

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