Dez. 202016
 

Weißstorch-Freunde zählen 493 Brutpaare mit 1078 Jungen

Wetzlar – Auch im Jahr 2016 ist der Wappenvogel des NABU weiter auf Erfolgskurs. Bernd Petri und Klaus Hillerich, Sprecher der NABU-Landesarbeitsgruppe Weißstorch, können deshalb für Hessen eine erfreuliche Jahresbilanz ziehen: „Mit 493 Weißstorchpaaren haben wir in 2016 einen neuen Rekord erzielt. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Brutpaare um 17 Prozent angestiegen“, so Petri. Die hessischen Weißstörche zogen in diesem Jahr insgesamt 1078 Jungtiere groß. Klaus Hillerich, der die Weißstorcherfassung in Hessen koordiniert, freut sich besonders über den großen Zuwachs in der Wetterau: „Hier konnten wir mit 70 Brutpaaren 22 mehr als im Vorjahr bei der Jungenaufzucht beobachten“. Erfreuliche Nachrichten gibt es auch aus Nordhessen: Im Landkreis Kassel zählten die Weißstorchfreunde erstmals vier Brutpaare. Das Mekka der hessischen Störche ist aber nach wie vor der Landkreis Groß-Gerau, wo in diesem Jahr 419 Jungvögel von 206 Brutpaaren aufzogen wurden. 

Foto: Roland Tichai – Weißstörche an der Landbachaue bei Bickenbach – August 2016

Der NABU-Ornithologe Petri gibt zu bedenken, dass die Bestände des Weißstorchs in Hessen noch lange nicht stabil seien. „Ohne die Kerngebiete im Hessischen Ried bei Biebesheim, in den Altneckarschlingen bei Groß-Gerau, bei Wiesbaden-Schierstein, in der Wetterau und im Main-Kinzig-Kreis gäbe es im sonstigen Hessen noch keine stabilen Weißstorch-Vorkommen. Alles hängt nach wie vor von den Ausbreitungszentren in Südhessen ab“, so Petri. Der Gesamtbestand befinde sich immer noch in einer Phase, in der die Weißstörche frühere Brutgebiete Mittel-, Ost- und Nordhessens wieder besiedelten. Dieses sensible Ausbreitungsstadium müsse unbedingt gestärkt werden. „Der Weißstorch ist in Hessen trotz kontinuierlicher Bestandszunahme und stetigem Zuwachs von Brutpaaren nach wie vor als ‚gefährdet‘ einzustufen“, erklärt Petri.

Die Storchenzahlen werden jährlich von vielen hessischen Storchenfreunden der „Arbeitsgruppe Weißstorchberingung in Hessen“ unter Leitung von Klaus Hillerich zusammen getragen. „Ohne die ehrenamtliche Mitarbeit vieler Storchfreunde wäre es gar nicht möglich, die Bestände des weißen Schreitvogels so genau zu beobachten und zu kontrollieren“, erläutert Hillerich. Für die Zukunft des Weißstorchs in Hessen ist vor allem der Erhalt von Feuchtgrünland von entscheidender Bedeutung. „Störche brauchen möglichst viele nasse Wiesen in Nestnähe, um genug Futter für ihre Jungen finden zu können“, erläutert Petri. Der Lebensraumverlust steige in Hessen immer noch rasant an. Vor allem der Umbruch von Grünland zu Maisäckern für die Energieerzeugung von Biogas sei eine große Gefahr für die weitere Entwicklung der Bestände. Mit dem Verlust von Feuchtgrünland verschwinde nicht nur der Lebensraum des Weißstorches, sondern auch der vieler anderer Tier- und Pflanzenarten. „Der Storchenschutz ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt auf unseren Wiesen“, so Petri.

Weißstorchzahlen (Brutpaare) in 2016 nach Landkreisen

Bergstraße: 28 (27), Groß-Gerau: 206 (184), Darmstadt-Dieburg: 31 (19), Wiesbaden: 31 (28), Offenbach: 2 (1), Main-Taunus 6 (6), Main-Kinzig: 47 (41), Fulda: 7 (6), Wetterau: 70 (48), Gießen: 19 (18), Lahn-Dill: 2 (2), Marburg-Biedenkopf: 16 (11), Waldeck-Frankenberg: 1 (1), Hersfeld-Rotenburg: 10 (9), Vogelsberg: 2 (2), Schwalm-Eder: 10 (8), Kassel: 4 (2), alle anderen Landkreise ohne Weißstorchbruten. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Jahr 2015.

Hintergrund-Informationen

Vom südhessischen Auenland bei Lampertheim bis hoch hinauf in das waldreiche nordhessische Vaake im Reinhardswald klappert wieder der Weißstorch. Kaum jemand hätte noch Ende des vergangenen Jahrhunderts daran geglaubt, dass Hessen wieder zum Storchenland wird. Das Verschwinden des Klapperstorchs im letzten Jahrhundert hatte viele Gründe. Rasante Veränderungen der Landschaften, die Umstellung von Weideviehhaltung auf Stallviehhaltung. Entwässerungen, Flächenverluste durch Bebauung und Verluste durch Leitungsanflüge, Stromschläge und Gifteinsatz.

Mitte der Siebziger Jahre begann man zu retten, was noch zu retten war. Gerade im NABU engagierten sich die Menschen vor Ort für die Natur und ihre Heimat. An die Rückkehr der Störche glaubten allerdings nur wenige. Neben Renaturierungen von Auengebieten und der Ausweisung von Schutzgebieten gab es „Spinner“, die einfach Masten mit Kunstnestern in die Landschaft stellten, weil sie meinten, dass Störche, sollten sie jemals wieder kommen, diese Nistmöglichkeiten dringend bräuchten. Mit dem Anwachsen der sogenannten „westziehenden“ spanischen Storchenpopulation und verschiedenen Auswilderungs-Projekten im Elsass und der Schweiz wuchs der Storchenbestand. Vor zwanzig Jahren siedelten sich dann vereinzelt Störche in Südhessen an. Und jeder Gast bekam sofort größte Aufmerksamkeit und Fürsorge. Und vor allem: Die modernen Störche flogen auf die von Menschenhand errichteten Nester auf Masten. Seit diesen Tagen kümmern sich viele engagierte Naturschützer um deren Wohl.

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